Project Gutenberg's Geschichten vom lieben Gott, by Rainer Maria Rilke This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org Title: Geschichten vom lieben Gott Author: Rainer Maria Rilke Release Date: December 24, 2011 [EBook #38402] Language: German Character set encoding: ISO-8859-1 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GESCHICHTEN VOM LIEBEN GOTT *** Produced by Alexander Bauer, Jana Srna and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net [ Anmerkungen zur Transkription: Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden �bernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Eine Liste der vorgenommenen �nderungen findet sich am Ende des Textes. Im Original gesperrt gedruckter Text wurde mit _ markiert. Das Inhaltsverzeichnis befindet sich am Ende des Buches. ] 24. bis 28. Tausend Geschichten vom lieben Gott Von Rainer Maria Rilke 1921 Im Insel-Verlag zu Leipzig MEINE FREUNDIN, EINMAL HABE ICH DIESES BUCH IN IHRE H�NDE GELEGT, UND SIE HABEN ES LIEB GEHABT WIE NIEMAND VORHER. SO HABE ICH MICH DARAN GEW�HNT, ZU DENKEN, DASS ES IHNEN GEH�RT. DULDEN SIE DESHALB, DASS ICH NICHT ALLEIN IN IHR EIGENES BUCH, SONDERN IN ALLE B�CHER DIESER NEUEN AUSGABE IHREN NAMEN SCHREIBE; DASS ICH SCHREIBE: DIE GESCHICHTEN VOM LIEBEN GOTT GEH�REN ELLEN KEY. RAINER MARIA RILKE ROM, IM APRIL 1904. DAS M�RCHEN VON DEN H�NDEN GOTTES Neulich, am Morgen, begegnete mir die Frau Nachbarin. Wir begr��ten uns. �Was f�r ein Herbst!� sagte sie nach einer Pause und blickte nach dem Himmel auf. Ich tat desgleichen. Der Morgen war allerdings sehr klar und k�stlich f�r Oktober. Pl�tzlich fiel mir etwas ein: �Was f�r ein Herbst!� rief ich und schwenkte ein wenig mit den H�nden. Und die Frau Nachbarin nickte beif�llig. Ich sah ihr so einen Augenblick zu. Ihr gutes gesundes Gesicht ging so lieb auf und nieder. Es war recht hell, nur um die Lippen und an den Schl�fen waren kleine schattige Falten. Woher sie das haben mag? Und da fragte ich ganz unversehens: �Und Ihre kleinen M�dchen?� Die Falten in ihrem Gesicht verschwanden eine Sekunde, zogen sich aber gleich, noch dunkler, zusammen. �Gesund sind sie, Gott sei Dank, aber�--�; die Frau Nachbarin setzte sich in Bewegung, und ich schritt jetzt an ihrer Linken, wie es sich geh�rt. �Wissen Sie, sie sind jetzt beide in dem Alter, die Kinder, wo sie den ganzen Tag fragen. Was, den ganzen Tag, bis in die gerechte Nacht hinein.� �Ja,� murmelte ich, -- �es gibt eine Zeit�...� Sie aber lie� sich nicht st�ren: �Und nicht etwa: Wohin geht diese Pferdebahn? Wieviel Sterne gibt es? Und ist zehntausend mehr als viel? Noch ganz andere Sachen! Zum Beispiel: Spricht der liebe Gott auch chinesisch? und: Wie sieht der liebe Gott aus? Immer alles vom lieben Gott! Dar�ber wei� man doch nicht Bescheid�--.� �Nein, allerdings,� stimmte ich bei, �man hat da gewisse Vermutungen�...� �Oder von den H�nden vom lieben Gott, was soll man da�--� Ich schaute der Nachbarin in die Augen: �Erlauben Sie,� sagte ich recht h�flich, �Sie sagten zuletzt die H�nde vom lieben Gott -- nicht wahr?� Die Nachbarin nickte. Ich glaube, sie war ein wenig erstaunt. �Ja� -- beeilte ich mich anzuf�gen, -- �von den H�nden ist mir allerdings einiges bekannt. Zuf�llig� -- bemerkte ich rasch, als ich ihre Augen rund werden sah -- �ganz zuf�llig -- ich habe --�--�-- nun,� schlo� ich mit ziemlicher Entschiedenheit, �ich will Ihnen erz�hlen, was ich wei�. Wenn Sie einen Augenblick Zeit haben, ich begleite Sie bis zu Ihrem Hause, das wird gerade reichen.� �Gerne,� sagte sie, als ich sie endlich zu Worte kommen lie�, immer noch erstaunt, �aber wollen Sie nicht vielleicht den Kindern selbst?...� �Ich den Kindern selbst erz�hlen? Nein, liebe Frau, das geht nicht, das geht auf keinen Fall. Sehen Sie, ich werde gleich verlegen, wenn ich mit den Kindern sprechen mu�. Das ist an sich nicht schlimm. Aber die Kinder k�nnten meine Verwirrung dahin deuten, da� ich mich l�gen f�hle ... Und da mir sehr viel an der Wahrhaftigkeit meiner Geschichte liegt -- Sie k�nnen es den Kindern ja wiedererz�hlen; Sie treffen es ja gewi� auch viel besser. Sie werden es verkn�pfen und ausschm�cken, ich werde nur die einfachen Tatsachen in der k�rzesten Form berichten. Ja?� �Gut, gut,� machte die Nachbarin zerstreut. Ich dachte nach: �Im Anfang�...� aber ich unterbrach mich sofort. �Ich kann bei Ihnen, Frau Nachbarin, ja manches als bekannt voraussetzen, was ich den Kindern erst erz�hlen m��te. Zum Beispiel die Sch�pfung�...� Es entstand eine ziemliche Pause. Dann: �Ja --�-- und am siebenten Tage�...� die Stimme der guten Frau war hoch und spitzig. �Halt!� machte ich, �wir wollen doch auch der fr�heren Tage gedenken; denn gerade um diese handelt es sich. Also der liebe Gott begann, wie bekannt, seine Arbeit, indem er die Erde machte, diese vom Wasser unterschied und Licht befahl. Dann formte er in bewundernswerter Geschwindigkeit die Dinge, ich meine die gro�en wirklichen Dinge, als da sind: Felsen, Gebirge, einen Baum und nach diesem Muster viele B�ume.� Ich h�rte hier schon eine Weile lang Schritte hinter uns, die uns nicht �berholten und auch nicht zur�ckblieben. Das st�rte mich, und ich verwickelte mich in der Sch�pfungsgeschichte, als ich folgenderma�en fortfuhr: �Man kann sich diese schnelle und erfolgreiche T�tigkeit nur begreiflich machen, wenn man annimmt, da� eben nach langem, tiefem Nachdenken alles in seinem Kopfe ganz fertig war, ehe er�...� Da endlich waren die Schritte neben uns, und eine nicht gerade angenehme Stimme klebte an uns: �O, Sie sprechen wohl von Herrn Schmidt, verzeihen Sie�...� Ich sah �rgerlich nach der Hinzugekommenen, die Frau Nachbarin aber geriet in gro�e Verlegenheit: �Hm,� hustete sie, �nein -- das hei�t -- ja, -- wir sprachen gerade, gewisserma�en�--.� �Was f�r ein Herbst,� sagte auf einmal die andere Frau, als ob nichts geschehen w�re, und ihr rotes, kleines Gesicht gl�nzte. �Ja� -- h�rte ich meine Nachbarin antworten: �Sie haben recht, Frau H�pfer, ein selten sch�ner Herbst!� Dann trennten sich die Frauen. Frau H�pfer kicherte noch: �Und gr��en Sie mir die Kinderchen.� Meine gute Nachbarin achtete nicht mehr darauf; sie war doch neugierig, meine Geschichte zu erfahren. Ich aber behauptete mit unbegreiflicher H�rte: �Ja, jetzt wei� ich nicht mehr, wo wir stehengeblieben sind.� �Sie sagten eben etwas von seinem Kopfe, das hei�t�--� die Frau Nachbarin wurde ganz rot. Sie tat mir aufrichtig leid, und so erz�hlte ich schnell: �Ja sehen Sie also, solange nur die Dinge gemacht waren, hatte der liebe Gott nicht notwendig, best�ndig auf die Erde herunterzuschauen. Es konnte sich ja nichts dort begeben. Der Wind ging allerdings schon �ber die Berge, welche den Wolken, die er schon seit lange kannte, so �hnlich waren, aber den Wipfeln der B�ume wich er noch mit einem gewissen Mi�trauen aus. Und das war dem lieben Gott sehr recht. Die Dinge hat er sozusagen im Schlafe gemacht; allein schon bei den Tieren fing die Arbeit an, ihm interessant zu werden; er neigte sich dar�ber und zog nur selten die breiten Brauen hoch, um einen Blick auf die Erde zu werfen. Er verga� sie vollends, als er den Menschen formte. Ich wei� nicht, bei welchem komplizierten Teil des K�rpers er gerade angelangt war, als es um ihn rauschte von Fl�geln. Ein Engel eilte vor�ber und sang: 'Der du alles siehst�...' Der liebe Gott erschrak. Er hatte den Engel in S�nde gebracht, denn eben hatte dieser eine L�ge gesungen. Rasch schaute Gottvater hinunter. Und freilich, da hatte sich schon irgend etwas ereignet, was kaum gutzumachen war. Ein kleiner Vogel irrte, als ob er Angst h�tte, �ber die Erde hin und her, und der liebe Gott war nicht imstande, ihm heimzuhelfen, denn er hatte nicht gesehen, aus welchem Walde das arme Tier gekommen war. Er wurde ganz �rgerlich und sagte: 'Die V�gel haben sitzenzubleiben, wo ich sie hingesetzt habe.' Aber er erinnerte sich, da� er ihnen auf F�rbitte der Engel Fl�gel verliehen hatte, damit es auch auf Erden so etwas wie Engel g�be, und dieser Umstand machte ihn nur noch verdrie�licher. Nun ist gegen solche Zust�nde des Gem�tes nichts so heilsam wie Arbeit. Und mit dem Bau des Menschen besch�ftigt, wurde Gott auch rasch wieder froh. Er hatte die Augen der Engel wie Spiegel vor sich, ma� darin seine eigenen Z�ge und bildete langsam und vorsichtig an einer Kugel auf seinem Scho�e das erste Gesicht. Die Stirne war ihm gelungen. Viel schwerer wurde es ihm, die beiden Nasenl�cher symmetrisch zu machen. Er b�ckte sich immer mehr dar�ber, bis es wieder wehte �ber ihm; er schaute auf. Derselbe Engel umkreiste ihn; man h�rte diesmal keine Hymne, denn in seiner L�ge war dem Knaben die Stimme erloschen, aber an seinem Mund erkannte Gott, da� er immer noch sang: 'Der du alles siehst.' Zugleich trat der heilige Nikolaus, der bei Gott in besonderer Achtung steht, an ihn heran und sagte durch seinen gro�en Bart hindurch: 'Deine L�wen sitzen ruhig, sie sind recht hochm�tige Gesch�pfe, das mu� ich sagen! Aber ein kleiner Hund l�uft ganz am Rande der Erde herum, ein Terrier, siehst du, er wird gleich hinunterfallen.' Und wirklich merkte der liebe Gott etwas Heiteres, Wei�es, wie ein kleines Licht hin und her tanzen in der Gegend von Skandinavien, wo es schon so furchtbar rund ist. Und er wurde recht b�s und warf dem heiligen Nikolaus vor, wenn ihm seine L�wen nicht recht seien, so solle er versuchen, auch welche zu machen. Worauf der heilige Nikolaus aus dem Himmel ging und die T�re zuschlug, da� ein Stern herunterfiel, gerade dem Terrier auf den Kopf. Jetzt war das Ungl�ck vollst�ndig, und der liebe Gott mu�te sich eingestehen, da� er ganz allein an allem schuld sei, und beschlo�, nicht mehr den Blick von der Erde zu r�hren. Und so geschah's. Er �berlie� seinen H�nden, welche ja auch weise sind, die Arbeit, und obwohl er recht neugierig war, zu erfahren, wie der Mensch wohl aussehen mochte, starrte er unabl�ssig auf die Erde hinab, auf welcher sich jetzt, wie zum Trotz, nicht ein Bl�ttchen regen wollte. Um doch wenigstens eine kleine Freude zu haben nach aller Plage, hatte er seinen H�nden befohlen, ihm den Menschen erst zu zeigen, ehe sie ihn dem Leben ausliefern w�rden. Wiederholt fragte er, wie Kinder, wenn sie Verstecken spielen: 'Schon?' Aber er h�rte als Antwort das Kneten seiner H�nde und wartete. Es erschien ihm sehr lange. Da auf einmal sah er etwas durch den Raum fallen, dunkel und in der Richtung, als ob es aus seiner N�he k�me. Von einer b�sen Ahnung erf�llt, rief er seine H�nde. Sie erschienen ganz von Lehm befleckt, hei� und zitternd. 'Wo ist der Mensch?' schrie er sie an. Da fuhr die Rechte auf die Linke los: 'Du hast ihn losgelassen!' 'Bitte,' sagte die Linke gereizt, 'du wolltest ja alles allein machen, mich lie�est du ja �berhaupt gar nicht mitreden.' 'Du h�ttest ihn eben halten m�ssen!' Und die Rechte holte aus. Dann aber besann sie sich, und beide H�nde sagten einander �berholend: 'Er war so ungeduldig, der Mensch. Er wollte immer schon leben. Wir k�nnen beide nichts daf�r, gewi�, wir sind beide unschuldig.' Der liebe Gott aber war ernstlich b�se. Er dr�ngte beide H�nde fort; denn sie verstellten ihm die Aussicht �ber die Erde: 'Ich kenne euch nicht mehr, macht, was ihr wollt.' Das versuchten die H�nde auch seither, aber sie k�nnen nur beginnen, was sie auch tun. Ohne Gott gibt es keine Vollendung. Und da sind sie es endlich m�de geworden. Jetzt knien sie den ganzen Tag und tun Bu�e, so erz�hlt man wenigstens. Uns aber erscheint es, als ob Gott ruhte, weil er auf seine H�nde b�se ist. Es ist immer noch siebenter Tag.� Ich schwieg einen Augenblick. Das ben�tzte die Frau Nachbarin sehr vern�nftig: �Und Sie glauben, da� nie wieder eine Vers�hnung zustande kommt?� �O doch,� sagte ich, �ich hoffe es wenigstens.� �Und wann sollte das sein?� �Nun, bis Gott wissen wird, wie der Mensch, den die H�nde gegen seinen Willen losgelassen haben, aussieht.� Die Frau Nachbarin dachte nach, dann lachte sie: �Aber dazu h�tte er doch blo� heruntersehen m�ssen�...� �Verzeihen Sie,� sagte ich artig, �Ihre Bemerkung zeugt von Scharfsinn, aber meine Geschichte ist noch nicht zu Ende. Also, als die H�nde beiseitegetreten waren und Gott die Erde wieder �berschaute, da war eben wieder eine Minute, oder sagen wir ein Jahrtausend, was ja bekanntlich dasselbe ist, vergangen. Statt eines Menschen gab es schon eine Million. Aber sie waren alle schon in Kleidern. Und da die Mode damals gerade sehr h��lich war und auch die Gesichter arg entstellte, so bekam Gott einen ganz falschen und (ich will es nicht verhehlen) sehr schlechten Begriff von den Menschen.� �Hm,� machte die Nachbarin und wollte etwas bemerken. Ich beachtete es nicht, sondern schlo� mit starker Betonung: �Und darum ist es dringend notwendig, da� Gott erf�hrt, wie der Mensch wirklich ist. Freuen wir uns, da� es solche gibt, die es ihm sagen�...� Die Frau Nachbarin freute sich noch nicht: �Und wer sollte das sein, bitte?� �Einfach die Kinder und dann und wann auch diejenigen Leute, welche malen, Gedichte schreiben, bauen�...� �Was denn bauen, Kirchen?� �Ja, und auch sonst, �berhaupt�...� Die Frau Nachbarin sch�ttelte langsam den Kopf. Manches erschien ihr doch recht verwunderlich. Wir waren schon �ber ihr Haus hinausgegangen und kehrten jetzt langsam um. Pl�tzlich wurde sie sehr lustig und lachte: �Aber, was f�r ein Unsinn, Gott ist doch auch allwissend. Er h�tte ja genau wissen m�ssen, woher zum Beispiel der kleine Vogel gekommen ist.� Sie sah mich triumphierend an. Ich war ein bi�chen verwirrt, ich mu� gestehen. Aber als ich mich gefa�t hatte, gelang es mir, ein �beraus ernstes Gesicht zu machen: �Liebe Frau,� belehrte ich sie, �das ist eigentlich eine Geschichte f�r sich. Damit Sie aber nicht glauben, das sei nur eine Ausrede von mir (sie verwahrte sich nun nat�rlich heftig dagegen), will ich Ihnen in K�rze sagen: Gott hat alle Eigenschaften, nat�rlich. Aber ehe er in die Lage kam, sie auf die Welt -- gleichsam -- anzuwenden, erschienen sie ihm alle wie eine einzige gro�e Kraft. Ich wei� nicht, ob ich mich deutlich ausdr�cke. Aber angesichts der Dinge spezialisierten sich seine F�higkeiten und wurden bis zu einem gewissen Grade: Pflichten. Er hatte M�he, sich alle zu merken. Es gibt eben Konflikte. (Nebenbei: das alles sage ich nur Ihnen, und Sie m�ssen es den Kindern keineswegs wiedererz�hlen.)� �Wo denken Sie hin,� beteuerte meine Zuh�rerin. �Sehen Sie, w�re ein Engel vor�bergeflogen, singend: 'Der du alles wei�t', so w�re alles gut geworden�...� �Und diese Geschichte w�re �berfl�ssig?� �Gewi�,� best�tigte ich. Und ich wollte mich verabschieden. �Aber wissen Sie das alles auch ganz bestimmt?� �Ich wei� es ganz bestimmt,� erwiderte ich fast feierlich. �Da werde ich den Kindern heute zu erz�hlen haben!� �Ich w�rde es gerne anh�ren d�rfen. Leben Sie wohl.� �Leben Sie wohl,� antwortete sie. Dann kehrte sie nochmals zur�ck: �Aber weshalb ist gerade dieser Engel�...� �Frau Nachbarin,� sagte ich, indem ich sie unterbrach, �ich merke jetzt, da� Ihre beiden lieben M�dchen gar nicht deshalb soviel fragen, weil sie Kinder sind�--� �Sondern?� fragte meine Nachbarin neugierig. �Nun, die �rzte sagen, es gibt gewisse Vererbungen�...� Meine Frau Nachbarin drohte mir mit dem Finger. Aber wir schieden dennoch als gute Freunde. * * * * * Als ich meiner lieben Nachbarin sp�ter (�brigens nach ziemlich langer Pause) wieder einmal begegnete, war sie nicht allein, und ich konnte nicht erfahren, ob sie ihren M�dchen meine Geschichte berichtet h�tte und mit welchem Erfolg. �ber diesen Zweifel kl�rte mich ein Brief auf, welchen ich kurz darauf empfing. Da ich von dem Absender desselben nicht die Erlaubnis erhalten habe, ihn zu ver�ffentlichen, so mu� ich mich darauf beschr�nken, zu erz�hlen, wie er endete, woraus man ohne weiteres erkennen wird, von wem er stammte. Er schlo� mit den Worten: �Ich und noch f�nf andere Kinder, n�mlich, weil ich mit dabei bin.� Ich antwortete, gleich nach Empfang, folgendes: �Liebe Kinder, da� euch das M�rchen von den H�nden vom lieben Gott gefallen hat, glaube ich gern; mir gef�llt es auch. Aber ich kann trotzdem nicht zu euch kommen. Seid nicht b�se deshalb. Wer wei�, ob ich euch gefiele. Ich habe keine sch�ne Nase, und wenn sie, was bisweilen vorkommt, auch noch ein rotes Pickelchen an der Spitze hat, so w�rdet ihr die ganze Zeit dieses P�nktchen anschauen und anstaunen und gar nicht h�ren, was ich ein St�ckchen tiefer unten sage. Auch w�rdet ihr wahrscheinlich von diesem Pickelchen tr�umen. Das alles w�re mir gar nicht recht. Ich schlage darum einen anderen Ausweg vor. Wir haben (auch au�er der Mutter) eine gro�e Anzahl gemeinsamer Freunde und Bekannte, die nicht Kinder sind. Ihr werdet schon erfahren, welche. Diesen werde ich von Zeit zu Zeit eine Geschichte erz�hlen, und ihr werdet sie von diesen Vermittlern immer noch sch�ner empfangen, als ich sie zu gestalten verm�chte. Denn es sind gar gro�e Dichter unter diesen unseren Freunden. Ich werde euch nicht verraten, wovon meine Geschichten handeln werden. Aber, weil euch nichts so sehr besch�ftigt und am Herzen liegt wie der liebe Gott, so werde ich an jeder passenden Gelegenheit einf�gen, was ich von ihm wei�. Sollte etwas davon nicht richtig sein, so schreibt mir wieder einen sch�nen Brief, oder la�t es mir durch die Mutter sagen. Denn es ist m�glich, da� ich mich an mancher Stelle irre, weil es schon so lange ist, seit ich die sch�nsten Geschichten erfahren habe, und weil ich seither mir viele habe merken m�ssen, die nicht so sch�n sind. Das kommt im Leben so mit. Trotzdem ist das Leben etwas ganz Pr�chtiges: auch davon wird des �fteren in meinen Geschichten die Rede sein. Damit gr��t euch -- Ich, aber auch nur deshalb Einer, weil ich mit dabei bin.� DER FREMDE MANN Ein fremder Mann hat mir einen Brief geschrieben. Nicht von Europa schrieb mir der fremde Mann, nicht von Moses, weder von den gro�en, noch von den kleinen Propheten, nicht vom Kaiser von Ru�land oder dem Zaren Iwan, dem Grausen, seinem f�rchterlichen Vorfahren. Nicht vom B�rgermeister oder vom Nachbar Flickschuster, nicht von der nahen Stadt, nicht von den fernen St�dten; und auch der Wald mit den vielen Rehen, darin ich jeden Morgen mich verliere, kommt in seinem Briefe nicht vor. Er erz�hlt mir auch nichts von seinem M�tterchen oder von seinen Schwestern, die gewi� l�ngst verheiratet sind. Vielleicht ist auch sein M�tterchen tot; wie k�nnte es sonst sein, da� ich sie in einem vierseitigen Briefe nirgends erw�hnt finde! Er erweist mir ein viel, viel gr��eres Vertrauen; er macht mich zu seinem Bruder, er spricht mir von seiner Not. Am Abend kommt der fremde Mann zu mir. Ich z�nde keine Lampe an, helfe ihm den Mantel ablegen und bitte ihn, mit mir Tee zu trinken, weil das gerade die Stunde ist, in welcher ich t�glich meinen Tee trinke. Und bei so nahen Besuchen mu� man sich keinen Zwang auferlegen. Als wir uns schon an den Tisch setzen wollen, bemerke ich, da� mein Gast unruhig ist; sein Gesicht ist voll Angst, und seine H�nde zittern. �Richtig,� sage ich, �hier ist ein Brief f�r Sie.� Und dann bin ich dabei, den Tee einzugie�en. �Nehmen Sie Zucker und vielleicht Zitrone? Ich habe in Ru�land gelernt, den Tee mit Zitrone zu trinken. Wollen Sie versuchen?� Dann z�nde ich eine Lampe an und stelle sie in eine entfernte Ecke, etwas hoch, so da� eigentlich D�mmerung bleibt im Zimmer, nur eine etwas w�rmere als fr�her, eine r�tliche. Und da scheint auch das Gesicht meines Gastes sicherer, w�rmer und um vieles bekannter zu sein. Ich begr��e ihn noch einmal mit den Worten: �Wissen Sie, ich habe Sie lange erwartet.� Und ehe der Fremde Zeit hat zu staunen, erkl�re ich ihm. �Ich wei� eine Geschichte, welche ich niemandem erz�hlen mag als Ihnen; fragen Sie mich nicht warum, sagen Sie mir nur, ob Sie bequem sitzen, ob der Tee genug s�� ist und ob Sie die Geschichte h�ren wollen.� Mein Gast mu�te l�cheln. Dann antwortete er einfach: �Ja.� �Auf alles drei: Ja?� �Auf alles drei.� Wir lehnten uns beide zugleich in unseren St�hlen zur�ck, so da� unsere Gesichter schattig wurden. Ich stellte mein Teeglas nieder, freute mich daran, wie goldig der Tee gl�nzte, verga� diese Freude langsam wieder und fragte pl�tzlich: �Erinnern Sie sich noch an den lieben Gott?� Der Fremde dachte nach. Seine Augen vertieften sich ins Dunkel, und mit den kleinen Lichtpunkten in den Pupillen glichen sie zwei langen Laubeng�ngen in einem Parke, �ber welchem leuchtend und breit Sommer und Sonne liegt. Auch diese beginnen so, mit runder D�mmerung, dehnen sich in immer engerer Finsternis bis zu einem fernen, schimmernden Punkt: dem jenseitigen Ausgang in einen vielleicht noch viel helleren Tag. W�hrend ich das erkannte, sagte er z�gernd und als ob er sich nur ungern seiner Stimme bediente: �Ja, ich erinnere mich noch an Gott.� �Gut,� dankte ich ihm, �denn gerade von ihm handelt meine Geschichte. Doch zuerst sagen Sie mir noch: Sprechen Sie bisweilen mit Kindern?� �Es kommt wohl vor, so im Vor�bergehen, wenigstens�--� �Vielleicht ist es Ihnen bekannt, da� Gott infolge eines h��lichen Ungehorsams seiner H�nde nicht wei�, wie der fertige Mensch eigentlich aussieht?� �Das habe ich einmal irgendwo geh�rt, ich wei� indessen nicht von wem� -- entgegnete mein Gast, und ich sah unbestimmte Erinnerungen �ber seine Stirn jagen. �Gleichviel,� st�rte ich ihn, �h�ren Sie weiter. Lange Zeit ertrug Gott diese Ungewi�heit. Denn seine Geduld ist wie seine St�rke gro�. Einmal aber, als dichte Wolken zwischen ihm und der Erde standen viele Tage lang, so da� er kaum mehr wu�te, ob er alles: Welt und Menschen und Zeit nicht nur getr�umt hatte, rief er seine rechte Hand, die so lange von seinem Angesicht verbannt und verborgen gewesen war in kleinen unwichtigen Werken. Sie eilte bereitwillig herbei; denn sie glaubte, Gott wolle ihr endlich verzeihen. Als Gott sie so vor sich sah in ihrer Sch�nheit, Jugend und Kraft, war er schon geneigt, ihr zu vergeben. Aber rechtzeitig besann er sich und gebot, ohne hinzusehen: 'Du gehst hinunter auf die Erde. Du nimmst die Gestalt an, die du bei den Menschen siehst, und stellst dich, nackt, auf einen Berg, so da� ich dich genau betrachten kann. Sobald du unten ankommst, geh zu einer jungen Frau und sag ihr, aber ganz leise: Ich m�chte leben. Es wird zuerst ein kleines Dunkel um dich sein und dann ein gro�es Dunkel, welches Kindheit hei�t, und dann wirst du ein Mann sein und auf den Berg steigen, wie ich es dir befohlen habe. Das alles dauert ja nur einen Augenblick. Leb wohl.' Die Rechte nahm von der Linken Abschied, gab ihr viele freundliche Namen, ja es wurde sogar behauptet, sie habe sich pl�tzlich vor ihr verneigt und gesagt: 'Du, heiliger Geist.' Aber schon trat der heilige Paulus herzu, hieb dem lieben Gott die rechte Hand ab, und ein Erzengel fing sie auf und trug sie unter seinem weiten Gewand davon. Gott aber hielt sich mit der Linken die Wunde zu, damit sein Blut nicht �ber die Sterne str�me und von da in traurigen Tropfen herunterfiele auf die Erde. Eine kurze Zeit sp�ter bemerkte Gott, der aufmerksam alle Vorg�nge unten betrachtete, da� die Menschen in den eisernen Kleidern sich um einen Berg mehr zu schaffen machten als um alle anderen Berge. Und er erwartete, dort seine Hand hinaufsteigen zu sehen. Aber es kam nur ein Mensch in einem, wie es schien, roten Mantel, welcher etwas schwarzes Schwankendes aufw�rts schleppte. In demselben Augenblicke begann Gottes linke Hand, die vor seinem offenen Blute lag, unruhig zu werden, und mit einem Mal verlie� sie, ehe Gott es verhindern konnte, ihren Platz und irrte wie wahnsinnig zwischen den Sternen umher und schrie: 'O, die arme rechte Hand, und ich kann ihr nicht helfen.' Dabei zerrte sie an Gottes linkem Arm, an dessen �u�erstem Ende sie hing, und bem�hte sich loszukommen. Die ganze Erde aber war rot vom Blute Gottes, und man konnte nicht erkennen, was darunter geschah. Damals w�re Gott fast gestorben. Mit letzter Anstrengung rief er seine Rechte zur�ck; sie kam bla� und bebend und legte sich an ihren Platz wie ein krankes Tier. Aber auch die Linke, die doch schon manches wu�te, da sie die rechte Hand Gottes damals unten auf der Erde erkannt hatte, als diese in einem roten Mantel den Berg erstieg, konnte von ihr nicht erfahren, was sich weiter auf diesem Berge begeben hat. Es mu� etwas sehr Schreckliches gewesen sein. Denn Gottes Rechte hat sich noch nicht davon erholt, und sie leidet unter ihrer Erinnerung nicht weniger als unter dem alten Zorne Gottes, der ja seinen H�nden immer noch nicht verziehen hat.� Meine Stimme ruhte ein wenig aus. Der Fremde hatte sein Gesicht mit den H�nden verh�llt. Lange blieb alles so. Dann sagte der fremde Mann mit einer Stimme, die ich l�ngst kannte: �Und warum haben Sie mir diese Geschichte erz�hlt?� �Wer h�tte mich sonst verstanden? Sie kommen zu mir ohne Rang, ohne Amt, ohne irgendeine zeitliche W�rde, fast ohne Namen. Es war dunkel, als Sie eintraten, allein ich bemerkte in Ihren Z�gen eine �hnlichkeit�--� Der fremde Mann blickte fragend auf. �Ja,� erwiderte ich seinem stillen Blick, �ich denke oft, vielleicht ist Gottes Hand wieder unterwegs�...� Die Kinder haben diese Geschichte erfahren, und offenbar wurde sie ihnen so erz�hlt, da� sie alles verstehen konnten; denn sie haben diese Geschichte lieb. WARUM DER LIEBE GOTT WILL, DASS ES ARME LEUTE GIBT Die vorangehende Geschichte hat sich so verbreitet, da� der Herr Lehrer mit sehr gekr�nktem Gesicht auf der Gasse herumgeht. Ich kann das begreifen. Es ist immer schlimm f�r einen Lehrer, wenn die Kinder pl�tzlich etwas wissen, was er ihnen nicht erz�hlt hat. Der Lehrer mu� sozusagen das einzige Loch in der Planke sein, durch welches man in den Obstgarten sieht; sind noch andere L�cher da, so dr�ngen sich die Kinder jeden Tag vor einem anderen und werden bald des Ausblicks �berhaupt m�de. Ich h�tte diesen Vergleich nicht hier aufgezeichnet, denn nicht jeder Lehrer ist vielleicht damit einverstanden, ein Loch zu sein; aber der Lehrer, von dem ich rede, mein Nachbar, hat den Vergleich zuerst von mir vernommen und ihn sogar als �u�erst treffend bezeichnet. Und sollte auch jemand anderer Meinung sein, die Autorit�t meines Nachbars ist mir ma�gebend. Er stand vor mir, r�ckte best�ndig an seiner Brille und sagte: �Ich wei� nicht, wer den Kindern diese Geschichte erz�hlt hat, aber es ist jedenfalls unrecht, ihre Phantasie mit solchen ungew�hnlichen Vorstellungen zu �berladen und anzuspannen. Es handelt sich um eine Art M�rchen�--.� �Ich habe es zuf�llig erz�hlen h�ren,� unterbrach ich ihn. (Dabei log ich nicht, denn seit jenem Abend ist es mir wirklich schon von meiner Frau Nachbarin wiederberichtet worden.) �So,� machte der Lehrer; er fand das leicht erkl�rlich. �Nun, was sagen Sie dazu?� Ich z�gerte, auch fuhr er sehr schnell fort: �Zun�chst finde ich es unrecht, religi�se, besonders biblische Stoffe frei und eigenm�chtig zu gebrauchen. Es ist das alles im Katechismus jedenfalls so ausgedr�ckt, da� es besser nicht gesagt werden kann�...� Ich wollte etwas bemerken, erinnerte mich aber im letzten Augenblick, da� der Herr Lehrer �zun�chst� gebraucht hatte, da� also jetzt nach der Grammatik und um der Gesundheit des Satzes willen ein �dann� und vielleicht sogar ein �und endlich� folgen mu�te, ehe ich mir erlauben durfte, etwas anzuf�gen. So geschah es auch. Ich will, da der Herr Lehrer diesen selben Satz, dessen tadelloser Bau jedem Kenner Freude bereiten wird, auch anderen �bermittelt hat, die ihn ebensowenig wie ich vergessen d�rften, hier nur noch das aufzeichnen, was hinter dem sch�nen, vorbereitenden Worte: �Und endlich� wie das Finale einer Ouvert�re kam. �Und endlich ... (die sehr phantastische Auffassung hingehen lassend) erscheint mir der Stoff gar nicht einmal gen�gend durchdrungen und nach allen Seiten hin ber�cksichtigt zu sein. Wenn ich Zeit h�tte, Geschichten zu schreiben�--� �Sie vermissen etwas in der bewu�ten Erz�hlung?� konnte ich mich nicht enthalten, ihn zu unterbrechen. �Ja, ich vermisse manches. Vom literarisch-kritischen Standpunkt gewisserma�en. Wenn ich zu Ihnen als Kollege sprechen darf�--� Ich verstand nicht, was er meinte, und sagte bescheiden: �Sie sind zu g�tig, aber ich habe nie eine Lehrt�tigkeit�...� Pl�tzlich fiel mir etwas ein, ich brach ab, und er fuhr etwas k�hl fort: �Um nur eins zu nennen: es ist nicht anzunehmen, da� Gott (wenn man schon auf den Sinn der Geschichte so weit eingehen will), da� Gott, also -- sage ich -- da� Gott keinen weiteren Versuch gemacht haben sollte, einen Menschen zu sehen, wie er ist, ich meine�--� Jetzt glaubte ich den Herrn Lehrer wieder vers�hnen zu m�ssen. Ich verneigte mich ein wenig und begann: �Es ist allgemein bekannt, da� Sie sich eingehend (und, wenn man so sagen darf, nicht ohne Gegenliebe zu finden) der sozialen Frage gen�hert haben.� Der Herr Lehrer l�chelte. �Nun, dann darf ich annehmen, da�, was ich Ihnen im folgenden mitzuteilen gedenke, Ihrem Interesse nicht ganz ferne steht, zumal ich ja auch an Ihre letzte, sehr scharfsinnige Bemerkung ankn�pfen kann.� Er sah mich erstaunt an: �Sollte Gott etwa�...� �In der Tat,� best�tigte ich, �Gott ist eben dabei, einen neuen Versuch zu machen.� �Wirklich?� fuhr mich der Lehrer an, �ist das an ma�gebender Stelle bekannt geworden?� �Dar�ber kann ich Ihnen nichts Genaues sagen�--� bedauerte ich -- �ich bin nicht in Beziehung mit jenen Kreisen, aber wenn Sie dennoch meine kleine Geschichte h�ren wollen?� �Sie w�rden mir einen gro�en Gefallen erweisen.� Der Lehrer nahm seine Brille ab und putzte sorgf�ltig die Gl�ser, w�hrend seine nackten Augen sich sch�mten. Ich begann: �Einmal sah der liebe Gott in eine gro�e Stadt. Als ihm von dem vielen Durcheinander die Augen erm�deten (dazu trugen die Netze mit den elektrischen Dr�hten nicht wenig bei), beschlo� er, seine Blicke auf ein einziges hohes Mietshaus f�r eine Weile zu beschr�nken, weil dieses weit weniger anstrengend war. Gleichzeitig erinnerte er sich seines alten Wunsches, einmal einen lebenden Menschen zu sehen, und zu diesem Zwecke tauchten seine Blicke ansteigend in die Fenster der einzelnen Stockwerke. Die Leute im ersten Stockwerke (es war ein reicher Kaufmann mit Familie) waren fast nur Kleider. Nicht nur, da� alle Teile ihres K�rpers mit kostbaren Stoffen bedeckt waren, die �u�eren Umrisse dieser Kleidung zeigten an vielen Stellen eine solche Form, da� man sah, es konnte kein K�rper mehr darunter sein. Im zweiten Stock war es nicht viel besser. Die Leute, welche drei Treppen wohnten, hatten zwar schon bedeutend weniger an, waren aber so schmutzig, da� der liebe Gott nur graue Furchen erkannte und in seiner G�te schon bereit war, zu befehlen, sie m�chten fruchtbar werden. Endlich unter dem Dach, in einem schr�gen K�mmerchen, fand der liebe Gott einen Mann in einem schlechten Rock, der sich damit besch�ftigte, Lehm zu kneten. 'Oho, woher hast du das?' rief er ihn an. Der Mann nahm seine Pfeife gar nicht aus dem Munde und brummte: 'Der Teufel wei� woher. Ich wollte, ich w�r Schuster geworden. Da sitzt man und plagt sich�...' Und was der liebe Gott auch fragen mochte, der Mann war schlechter Laune und gab keine Antwort mehr. -- Bis er eines Tages einen gro�en Brief vom B�rgermeister dieser Stadt bekam. Da erz�hlte er dem lieben Gott, ungefragt, alles. Er hatte so lange keinen Auftrag bekommen. Jetzt, pl�tzlich, sollte er eine Statue f�r den Stadtpark machen, und sie sollte hei�en: die Wahrheit. Der K�nstler arbeitete Tag und Nacht in einem entfernten Atelier, und dem lieben Gott kamen verschiedene alte Erinnerungen, wie er das so sah. Wenn er seinen H�nden nicht immer noch b�se gewesen w�re, er h�tte wohl auch wieder irgendwas begonnen. -- Als aber der Tag kam, da die Bilds�ule, welche die Wahrheit hie�, hinausgetragen werden sollte, auf ihren Platz in den Garten, wo auch Gott sie h�tte sehen k�nnen in ihrer Vollendung, da entstand ein gro�er Skandal, denn eine Kommission von Stadtv�tern, Lehrern und anderen einflu�reichen Pers�nlichkeiten hatte verlangt, die Figur m�sse erst teilweise bekleidet werden, ehe das Publikum sie zu Gesicht bek�me. Der liebe Gott verstand nicht, weshalb, so laut fluchte der K�nstler. Stadtv�ter, Lehrer und die anderen haben ihn in diese S�nde gebracht, und der liebe Gott wird gewi� an denen -- aber Sie husten ja f�rchterlich!� �Es geht schon vor�ber�--� sagte mein Lehrer mit vollkommen klarer Stimme. �Nun, ich habe nur noch ein weniges zu berichten. Der liebe Gott lie� das Mietshaus und den Stadtpark los und wollte seinen Blick schon ganz zur�ckziehen, wie man eine Angelrute aus dem Wasser zieht, mit einem Schwung, um zu sehen, ob nicht etwas angebissen hat. In diesem Falle hing wirklich etwas daran. Ein ganz kleines H�uschen mit mehreren Menschen drinnen, die alle sehr wenig anhatten, denn sie waren sehr arm. 'Das also ist es�--,' dachte der liebe Gott, 'arm m�ssen die Menschen sein. Diese hier sind, glaub ich, schon recht arm, aber ich will sie so arm machen, da� sie nicht einmal ein Hemd zum Anziehen haben.' So nahm sich der liebe Gott vor.� Hier machte ich beim Sprechen einen Punkt, um anzudeuten, da� ich am Ende sei. Der Herr Lehrer war damit nicht zufrieden; er fand diese Geschichte ebensowenig abgeschlossen und gerundet wie die vorhergehende. �Ja� -- entschuldigte ich mich -- �da m��te eben ein Dichter kommen, der zu dieser Geschichte irgendeinen phantastischen Schlu� erfindet, denn tats�chlich hat sie noch kein Ende.� �Wieso?� machte der Herr Lehrer und schaute mich gespannt an. �Aber, lieber Herr Lehrer,� erinnerte ich, �wie verge�lich Sie sind! Sie sind doch selbst im Vorstand des hiesigen Armenvereins�...� �Ja, seit etwa zehn Jahren bin ich das und�--?� �Das ist es eben; Sie und Ihr Verein verhindern den lieben Gott die l�ngste Zeit, sein Ziel zu erreichen. Sie kleiden die Leute�--� �Aber ich bitte Sie,� sagte der Lehrer bescheiden, �das ist einfach N�chstenliebe. Das ist doch Gott im h�chsten Grade wohlgef�llig.� �Ach, davon ist man ma�gebenden Orts wohl �berzeugt?� fragte ich arglos. �Nat�rlich ist man das. Ich habe gerade in meiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied des Armenvereins manches Lobende zu h�ren bekommen. Vertraulich gesagt, man will auch bei der n�chsten Bef�rderung meine T�tigkeit in dieser Weise --�--�-- Sie verstehen?� Der Herr Lehrer err�tete schamhaft. �Ich w�nsche Ihnen das Beste,� entgegnete ich. Wir reichten uns die H�nde, und der Herr Lehrer ging mit so stolzen, gemessenen Schritten fort, da� ich �berzeugt bin: er ist zu sp�t in die Schule gekommen. Wie ich sp�ter vernahm, ist ein Teil dieser Geschichte (soweit sie f�r Kinder pa�t) den Kindern doch bekannt geworden. Sollte der Herr Lehrer sie zu Ende gedichtet haben? WIE DER VERRAT NACH RUSSLAND KAM Ich habe noch einen Freund hier in der Nachbarschaft. Das ist ein blonder, lahmer Mann, der seinen Stuhl, winters wie sommers, hart am Fenster hat. Er kann sehr jung aussehen, ja in seinem lauschenden Gesicht ist manchmal etwas Knabenhaftes. Aber es gibt auch Tage, da er altert, die Minuten gehen wie Jahre �ber ihn, und pl�tzlich ist er ein Greis, dessen matte Augen das Leben fast schon losgelassen haben. Wir kennen uns lang. Erst haben wir uns immer angesehen, sp�ter l�chelten wir unwillk�rlich, ein Jahr lang gr��ten wir einander, und seit Gott wei� wann erz�hlen wir uns das eine und das andere, wahllos, wie es eben passiert. �Guten Tag,� rief er, als ich vor�berkam, und sein Fenster war noch offen in den reichen und stillen Herbst hinaus. �Ich habe Sie lange nicht gesehen.� �Guten Tag, Ewald�--.� Ich trat an sein Fenster, wie ich immer zu tun pflegte, im Vor�bergehen. �Ich war verreist.� �Wo waren Sie?� fragte er mit ungeduldigen Augen. �In Ru�land.� �O so weit� -- er lehnte sich zur�ck, und dann: �Was ist das f�r ein Land, Ru�land? Ein sehr gro�es, nicht wahr?� �Ja,� sagte ich, �gro� ist es und au�erdem�--� �Habe ich dumm gefragt?� l�chelte Ewald und wurde rot. �Nein, Ewald, im Gegenteil. Da Sie fragen: was ist das f�r ein Land? wird mir verschiedenes klar. Zum Beispiel woran Ru�land grenzt.� �Im Osten?� warf mein Freund ein. Ich dachte nach: �Nein.� �Im Norden?� forschte der Lahme. �Sehen Sie,� fiel mir ein, �das Ablesen von der Landkarte hat die Leute verdorben. Dort ist alles plan und eben, und wenn sie die vier Weltgegenden bezeichnet haben, scheint ihnen alles getan. Ein Land ist doch aber kein Atlas. Es hat Berge und Abgr�nde. Es mu� doch auch oben und unten an etwas sto�en.� �Hm�--� �berlegte mein Freund, �Sie haben recht. Woran k�nnte Ru�land an diesen beiden Seiten grenzen?� Pl�tzlich sah der Kranke wie ein Knabe aus. �Sie wissen es,� rief ich. �Vielleicht an Gott?� �Ja,� best�tigte ich, �an Gott.� �So� -- nickte mein Freund ganz verst�ndnisvoll. Erst dann kamen ihm einzelne Zweifel: �Ist denn Gott ein Land?� �Ich glaube nicht,� erwiderte ich, �aber in den primitiven Sprachen haben viele Dinge denselben Namen. Es ist da wohl ein Reich, das hei�t Gott, und der es beherrscht, hei�t auch Gott. Einfache V�lker k�nnen ihr Land und ihren Kaiser oft nicht unterscheiden; beide sind gro� und g�tig, furchtbar und gro�.� �Ich verstehe,� sagte langsam der Mann am Fenster. �Und merkt man in Ru�land diese Nachbarschaft?� �Man merkt sie bei allen Gelegenheiten. Der Einflu� Gottes ist sehr m�chtig. Wieviel man auch aus Europa bringen mag, die Dinge aus dem Westen sind Steine, sobald sie �ber die Grenze sind. Mitunter kostbare Steine, aber eben nur f�r die Reichen, die sogenannten 'Gebildeten', w�hrend von dr�ben aus dem anderen Reich das Brot kommt, wovon das Volk lebt.� �Das hat das Volk wohl in �berflu�?� Ich z�gerte: �Nein, das ist nicht der Fall, die Einfuhr aus Gott ist durch gewisse Umst�nde erschwert�--� Ich suchte ihn von diesem Gedanken abzubringen. �Aber man hat vieles aus den Gebr�uchen jener breiten Nachbarschaft angenommen. Das ganze Zeremoniell beispielsweise. Man spricht zu dem Zaren �hnlich wie zu Gott.� �So, man sagt also nicht: Majest�t?� �Nein, man nennt beide V�terchen.� �Und man kniet vor beiden?� �Man wirft sich vor beiden nieder, f�hlt mit der Stirn den Boden und weint und sagt: 'Ich bin s�ndig, verzeih mir, V�terchen.' Die Deutschen, welche das sehen, behaupten: eine ganz unw�rdige Sklaverei. Ich denke anders dar�ber. Was soll das Knien bedeuten? Es hat den Sinn zu erkl�ren: Ich habe Ehrfurcht. Dazu gen�gt es auch, das Haupt zu entbl��en, meint der Deutsche. Nun ja, der Gru�, die Verbeugung, gewisserma�en sind auch sie Ausdr�cke daf�r, Abk�rzungen, die entstanden sind in den L�ndern, wo nicht so viel Raum war, da� jeder sich h�tte niederlegen k�nnen auf der Erde. Aber Abk�rzungen gebraucht man bald mechanisch und ohne sich ihres Sinnes mehr bewu�t zu werden. Deshalb ist es gut, wo noch Raum und Zeit daf�r ist, die Geb�rde auszuschreiben, das ganze sch�ne und wichtige Wort: Ehrfurcht.� �Ja, wenn ich k�nnte, w�rde ich auch niederknien�--,� tr�umte der Lahme. �Aber es kommt�--� fuhr ich nach einer Pause fort -- �in Ru�land auch vieles andere von Gott. Man hat das Gef�hl, jedes Neue wird von ihm eingef�hrt, jedes Kleid, jede Speise, jede Tugend und sogar jede S�nde mu� erst von ihm bewilligt werden, ehe sie in Gebrauch kommt.� Der Kranke sah mich fast erschrocken an. �Es ist nur ein M�rchen, auf welches ich mich berufe,� eilte ich ihn zu beruhigen, �eine sogenannte Bylina, ein Gewesenes zu deutsch. Ich will Ihnen kurz den Inhalt erz�hlen. Der Titel ist: Wie der Verrat nach Ru�land kam.� Ich lehnte mich ans Fenster, und der Gel�hmte schlo� die Augen, wie er gerne tat, wenn irgendwo eine Geschichte begann. �Der schreckliche Zar Iwan wollte den benachbarten F�rsten Tribut auferlegen und drohte ihnen mit einem gro�en Krieg, falls sie nicht Gold nach Moskau, in die wei�e Stadt, schicken w�rden. Die F�rsten sagten, nachdem sie Rat gepflogen hatten, wie ein Mann: 'Wir geben dir drei R�tselfragen auf. Komm an dem Tage, den wir dir bestimmen, in den Orient, zu dem wei�en Stein, wo wir versammelt sein werden, und sage uns die drei L�sungen. Sobald sie richtig sind, geben wir dir die zw�lf Tonnen Goldes, die du von uns verlangst.' Zuerst dachte der Zar Iwan Wassiljewitsch nach, aber es st�rten ihn die vielen Glocken seiner wei�en Stadt Moskau. Da rief er seine Gelehrten und R�te vor sich, und jeden, der die Frage nicht beantworten konnte, lie� er auf den gro�en, roten Platz f�hren, wo gerade die Kirche f�r Wassilij, den Nackten, gebaut wurde, und einfach k�pfen. Bei einer solchen Besch�ftigung verging ihm die Zeit so rasch, da� er sich pl�tzlich auf der Reise fand nach dem Orient, zu dem wei�en Stein, bei welchem die F�rsten warteten. Er wu�te auf keine der drei Fragen etwas zu erwidern, aber der Ritt war lang, und es war immer noch die M�glichkeit, einem Weisen zu begegnen; denn damals waren viele Weise unterwegs auf der Flucht, da alle K�nige die Gewohnheit hatten, ihnen den Kopf abschneiden zu lassen, wenn sie ihnen nicht weise genug schienen. Ein solcher kam ihm nun allerdings nicht zu Gesicht, aber an einem Morgen sah er einen alten b�rtigen Bauer, welcher an einer Kirche baute. Er war schon dabei angelangt, den Dachstuhl zu zimmern und die kleinen Latten dar�berzulegen. Da war es nun recht verwunderlich, da� der alte Bauer immer wieder von der Kirche herunterstieg, um von den schmalen Latten, welche unten aufgeschichtet waren, jede einzeln zu holen, statt viele auf einmal in seinem langen Kaftan mitzunehmen. Er mu�te so best�ndig auf und nieder klettern, und es war gar nicht abzusehen, da� er auf diese Weise �berhaupt jemals alle vielhundert Latten an ihren Ort bringen w�rde. Der Zar wurde deshalb ungeduldig: 'Dummkopf,' schrie er (so nennt man in Ru�land meistens die Bauern), 'du solltest dich t�chtig beladen mit deinem Holz und dann auf die Kirche kriechen, das w�re bei weitem einfacher.' Der Bauer, der gerade unten war, blieb stehen, hielt die Hand �ber die Augen und antwortete: 'Das mu�t du schon mir �berlassen, Zar Iwan Wassiljewitsch, jeder versteht sein Handwerk am besten; indessen, weil du schon hier vor�berreitest, will ich dir die L�sung der drei R�tsel sagen, welche du am wei�en Stein im Orient, gar nicht weit von hier, wirst wissen m�ssen.' Und er sch�rfte ihm die drei Antworten der Reihe nach ein. Der Zar konnte vor Erstaunen kaum dazu kommen, zu danken. 'Was soll ich dir geben zum Lohne?' fragte er endlich. 'Nichts,' machte der Bauer, holte eine Latte und wollte auf die Leiter steigen. 'Halt,' befahl der Zar, 'das geht nicht an, du mu�t dir etwas w�nschen.' 'Nun, V�terchen, wenn du befiehlst, gib mir eine von den zw�lf Tonnen Goldes, welche du von den F�rsten im Orient erhalten wirst.' 'Gut�--,' nickte der Zar. 'Ich gebe dir eine Tonne Goldes.' Dann ritt er eilends davon, um die L�sungen nicht wieder zu vergessen. Sp�ter, als der Zar mit den zw�lf Tonnen zur�ckgekommen war aus dem Orient, schlo� er sich in Moskau in seinen Palast, mitten im f�nftorigen Kreml, ein und sch�ttete eine Tonne nach der anderen auf die gl�nzenden Dielen des Saales aus, so da� ein wahrer Berg aus Gold entstand, der einen gro�en schwarzen Schatten �ber den Boden warf. In Verge�lichkeit hatte der Zar auch die zw�lfte Tonne ausgeleert. Er wollte sie wieder f�llen, aber es tat ihm leid, so viel Gold von dem herrlichen Haufen wieder fortnehmen zu m�ssen. In der Nacht ging er in den Hof hinunter, sch�pfte feinen Sand in die Tonne, bis sie zu drei Vierteilen voll war, kehrte leise in seinen Palast zur�ck, legte Gold �ber den Sand und schickte die Tonne mit dem n�chsten Morgen durch einen Boten in die Gegend des weiten Ru�land, wo der alte Bauer seine Kirche baute. Als dieser den Boten kommen sah, stieg er von dem Dach, welches noch lange nicht fertig war, und rief: 'Du mu�t nicht n�her kommen, mein Freund, reise zur�ck samt deiner Tonne, welche drei Vierteile Sand und ein knappes Viertel Gold enth�lt; ich brauche sie nicht. Sage deinem Herrn, bisher hat es keinen Verrat in Ru�land gegeben. Er aber ist selbst daran schuld, wenn er bemerken sollte, da� er sich auf keinen Menschen verlassen kann; denn er hat nunmehr gezeigt, wie man verr�t, und von Jahrhundert zu Jahrhundert wird sein Beispiel in ganz Ru�land viele Nachahmer finden. Ich brauche nicht das Gold, ich kann ohne Gold leben. Ich erwartete nicht Gold von ihm, sondern Wahrheit und Rechtlichkeit. Er aber hat mich get�uscht. Sage das deinem Herrn, dem schrecklichen Zaren Iwan Wassiljewitsch, der in seiner wei�en Stadt Moskau sitzt mit seinem b�sen Gewissen und in einem goldenen Kleid.' Nach einer Weile Reitens wandte sich der Bote nochmals um: der Bauer und seine Kirche waren verschwunden. Und auch die aufgeschichteten Latten lagen nicht mehr da, es war alles leeres, flaches Land. Da jagte der Mann entsetzt zur�ck nach Moskau, stand atemlos vor dem Zaren und erz�hlte ihm ziemlich unverst�ndlich, was sich begeben hatte und da� der vermeintliche Bauer niemand anderes gewesen sei als Gott selbst.� �Ob er wohl recht gehabt hat damit?� meinte mein Freund leise, nachdem meine Geschichte verklungen war. �Vielleicht�--,� entgegnete ich, �aber, wissen Sie, das Volk ist -- abergl�ubisch -- indessen, ich mu� jetzt gehen, Ewald.� �Schade,� sagte der Lahme aufrichtig. �Wollen Sie mir nicht bald wieder eine Geschichte erz�hlen?� �Gerne, -- aber unter einer Bedingung.� Ich trat noch einmal ans Fenster heran. �N�mlich?� staunte Ewald. �Sie m�ssen alles gelegentlich den Kindern in der Nachbarschaft weitererz�hlen,� bat ich. �O, die Kinder kommen jetzt so selten zu mir.� Ich vertr�stete ihn: �Sie werden schon kommen. Offenbar haben Sie in der letzten Zeit nicht Lust gehabt, ihnen etwas zu erz�hlen, und vielleicht auch keinen Stoff, oder zu viel Stoffe. Aber wenn einer eine wirkliche Geschichte wei�, glauben Sie, das kann verborgen bleiben? Bewahre, das spricht sich herum, besonders unter den Kindern!� �Auf Wiedersehen.� Damit ging ich. Und die Kinder haben die Geschichte noch an demselben Tage geh�rt. WIE DER ALTE TIMOFEI SINGEND STARB Was f�r eine Freude ist es doch, einem lahmen Menschen zu erz�hlen. Die gesunden Leute sind so ungewi�; sie sehen die Dinge bald von der, bald von jener Seite an, und wenn man mit ihnen eine Stunde lang so gegangen ist, da� sie zur Rechten waren, kann es geschehen, da� sie pl�tzlich von links antworten, nur, weil es ihnen einf�llt, da� das h�flicher sei und von feinerer Bildung zeuge. Beim Lahmen hat man das nicht zu bef�rchten. Seine Unbeweglichkeit macht ihn den Dingen �hnlich, mit denen er auch wirklich viele herzliche Beziehungen pflegt, macht ihn, sozusagen, zu einem den anderen sehr �berlegenen Ding, zu einem Ding, das nicht nur lauscht mit seiner Schweigsamkeit, sondern auch mit seinen seltenen leisen Worten und mit seinen sanften, ehrf�rchtigen Gef�hlen. Ich mag am liebsten meinem Freund Ewald erz�hlen. Und ich war sehr froh, als er mir von seinem t�glichen Fenster aus zurief: �Ich mu� Sie etwas fragen.� Rasch trat ich zu ihm und begr��te ihn. �Woher stammt die Geschichte, die Sie mir neulich erz�hlt haben?� bat er endlich. �Aus einem Buch?� �Ja� -- entgegnete ich traurig, �die Gelehrten haben sie darin begraben, seit sie tot ist; das ist gar nicht lange her. Noch vor hundert Jahren lebte sie, gewi� sehr sorglos, auf vielen Lippen. Aber die Worte, welche die Menschen jetzt gebrauchen, diese schweren, nicht sangbaren Worte, waren ihr feind und nahmen ihr einen Mund nach dem anderen weg, so da� sie zuletzt, nur sehr eingezogen und �rmlich, auf ein paar trockenen Lippen, wie auf einem schlechten Witwengut, lebte. Dort verstarb sie auch, ohne Nachkommen zu hinterlassen, und wurde, wie schon erw�hnt, mit allen Ehren in einem Buche bestattet, wo schon andere aus ihrem Geschlechte lagen.� �Und sie war sehr alt, als sie starb?� fragte mein Freund, in meinen Ton eingehend. �400 bis 500 Jahre,� berichtete ich der Wahrheit gem��, �verschiedene von ihren Verwandten haben noch ein ungleich h�heres Alter erreicht.� �Wie, ohne jemals in einem Buche zu ruhen?� staunte Ewald. Ich erkl�rte: �Soviel ich wei�, waren sie die ganze Zeit von Lippe zu Lippe unterwegs.� �Und haben nie geschlafen?� �Doch, von dem Munde des S�ngers steigend, blieben sie wohl dann und wann in einem Herzen, darin es warm und dunkel war.� �Waren denn die Menschen so still, da� Lieder schlafen konnten in ihren Herzen?� Ewald schien mir recht ungl�ubig. �Es mu� wohl so gewesen sein. Man behauptet, sie sprachen weniger, tanzten langsam anwachsende T�nze, die etwas Wiegendes hatten, und vor allem: sie lachten nicht laut, wie man es heute trotz der allgemeinen hohen Kultur nicht selten vernehmen kann.� Ewald schickte sich an, noch etwas zu fragen, aber er unterdr�ckte es und l�chelte: �Ich frage und frage, -- aber Sie haben vielleicht eine Geschichte vor?� Er sah mich erwartungsvoll an. �Eine Geschichte? Ich wei� nicht. Ich wollte nur sagen: diese Ges�nge waren das Erbgut in gewissen Familien. Man hatte es �bernommen, und man gab es weiter, nicht ganz unben�tzt, mit den Spuren eines t�glichen Gebrauchs, aber doch unbesch�digt, wie etwa eine alte Bibel von V�tern zu Enkeln geht. Der Enterbte unterschied sich von den in ihre Rechte eingesetzten Geschwistern dadurch, da� er nicht singen konnte, oder er wu�te wenigstens nur einen kleinen Teil der Lieder seines Vaters und Gro�vaters und verlor mit den �brigen Ges�ngen das gro�e St�ck Erleben, das alle diese Bylinen und Skaski dem Volke bedeuten. So hatte z.�B. Jegor Timofejewitsch gegen den Willen seines Vaters, des alten Timofei, ein junges, sch�nes Weib geheiratet und war mit ihr nach Kiew gegangen, in die heilige Stadt, bei welcher sich die Gr�ber der gr��ten M�rtyrer der heiligen, rechtgl�ubigen Kirche versammelt haben. Der Vater Timofei, der als der kundigste S�nger auf zehn Tagereisen im Umkreis galt, verfluchte seinen Sohn und erz�hlte seinen Nachbarn, da� er oft �berzeugt sei, niemals einen solchen gehabt zu haben. Dennoch verstummte er in Gram und Traurigkeit. Und er wies alle die jungen Leute zur�ck, die sich in seine H�tte dr�ngten, um die Erben der vielen Ges�nge zu werden, welche in dem Alten eingeschlossen waren, wie in einer verstaubten Geige. 'Vater, du unser V�terchen, gib uns nur eines oder das andere Lied. Siehst du, wir wollen es in die D�rfer tragen, und du sollst es h�ren aus allen H�fen, sobald der Abend kommt und das Vieh in den St�llen ruhig geworden ist.' Der Alte, der best�ndig auf dem Ofen sa�, sch�ttelte den ganzen Tag den Kopf. Er h�rte nicht mehr gut, und da er nicht wu�te, ob nicht einer von den Burschen, die jetzt fortw�hrend sein Haus umhorchten, eben wieder gefragt hatte, machte er mit seinem wei�en Kopf zitternd: Nein, nein, nein, bis er einschlief und auch dann noch eine Weile -- im Schlaf. Er h�tte den Burschen gerne ihren Willen getan; es war ihm selber leid, da� sein stummer, verstorbener Staub �ber diesen Liedern liegen sollte, vielleicht schon ganz bald. Aber h�tte er versucht, einen von ihnen etwas zu lehren, gewi� h�tte er sich dabei seines Jegoruschka erinnern m�ssen und dann -- wer wei� -- was dann geschehen w�re. Denn nur, weil er �berhaupt schwieg, hatte ihn niemand weinen sehen. Hinter jedem Wort stand es ihm, das Schluchzen, und er mu�te immer sehr schnell und vorsichtig den Mund schlie�en, sonst w�re es einmal doch mitgekommen. Der alte Timofei hatte seinen einzigen Sohn Jegor von ganz fr�h an einzelne Lieder gelehrt, und als f�nfzehnj�hriger Knabe wu�te dieser schon mehr und richtiger zu singen als alle erwachsenen Burschen im Dorfe und in der Nachbarschaft. Gleichwohl pflegte der Alte meistens am Feiertag, wenn er etwas trunken war, dem Burschen zu sagen: 'Jegoruschka, mein T�ubchen, ich habe dich schon viele Lieder singen gelehrt, viele Bylinen und auch die Legenden von Heiligen, fast f�r jeden Tag eine. Aber ich bin, wie du wei�t, der Kundigste im ganzen Gouvernement, und mein Vater kannte sozusagen alle Lieder von ganz Ru�land und auch noch tatarische Geschichten dazu. Du bist noch sehr jung, und deshalb habe ich dir die sch�nsten Bylinen, darin die Worte wie Ikone sind und gar nicht zu vergleichen mit den gew�hnlichen Worten, noch nicht erz�hlt, und du hast noch nicht gelernt, jene Weisen zu singen, die noch keiner, er mochte ein Kosak sein oder ein Bauer, hat anh�ren k�nnen, ohne zu weinen.' Dieses wiederholte Timofei seinem Sohne an jedem Sonntag und an allen vielen Feiertagen des russischen Jahres, also ziemlich oft. Bis dieser nach einem heftigen Auftritt mit dem Alten, zugleich mit der sch�nen Ustj�nka, der Tochter eines armen Bauern, verschwunden war. Im dritten Jahre nach diesem Vorfall erkrankte Timofei, zur selben Zeit, als einer jener vielen Pilgerz�ge, die aus allen Teilen des weiten Reiches best�ndig nach Kiew ziehen, aufbrechen wollte. Da trat Ossip, der Nachbar, bei dem Kranken ein: 'Ich gehe mit den Pilgern, Timofei Iwanitsch, erlaube mir, dich noch einmal zu umarmen.' Ossip war nicht befreundet mit dem Alten, aber nun, da er diese weite Reise begann, fand er es f�r notwendig, von ihm wie von einem Vater Abschied zu nehmen. 'Ich habe dich manchmal gekr�nkt,' schluchzte er, 'verzeih mir, mein Herzchen, es ist im Trunke geschehen, und da kann man nichts daf�r, wie du wei�t. Nun, ich will f�r dich beten und eine Kerze anstecken f�r dich; leb wohl, Timofei Iwanitsch, mein V�terchen, vielleicht wirst du wieder gesund, wenn Gott es will, dann singst du uns wieder etwas. Ja, ja, das ist lange her, seit du gesungen hast. Was waren das f�r Lieder. Das von Djuk Stepanowitsch zum Beispiel, glaubst du, ich habe das vergessen? Wie dumm du bist! Ich wei� es noch ganz genau. Freilich, so wie du, -- du hast es eben gekonnt, das mu� man sagen. Gott hat dir das gegeben, einem anderen gibt er etwas anderes. Mir zum Beispiel�--' Der Alte, der auf dem Ofen lag, drehte sich �chzend um und machte eine Bewegung, als ob er etwas sagen wollte. Es war, als h�rte man ganz leise den Namen Jegors. Vielleicht wollte er ihm eine Nachricht schicken. Aber als der Nachbar, von der T�re her, fragte: 'Sagst du etwas, Timofei Iwanitsch?' lag er schon wieder ganz ruhig da und sch�ttelte nur leise seinen wei�en Kopf. Trotzdem, wei� Gott wie es geschah, kaum ein Jahr, nachdem Ossip fortgegangen war, kehrte Jegor ganz unvermutet zur�ck. Der Alte erkannte ihn nicht gleich, denn es war dunkel in der H�tte, und die greisen Augen nahmen nur ungern eine neue fremde Gestalt auf. Aber als Timofei die Stimme des Fremden geh�rt hatte, erschrak er und sprang vom Ofen herab auf seine alten, schwankenden Beine. Jegor fing ihn auf, und sie hielten sich in den Armen. Timofei weinte. Der junge Mensch fragte in einem fort: 'Bist du schon lange krank, Vater?' Als sich der Alte ein wenig beruhigt hatte, kroch er auf seinen Ofen zur�ck und erkundigte sich in einem anderen strengen Ton: 'Und dein Weib?' Pause. Jegor spuckte aus: 'Ich hab sie fortgejagt, wei�t du, mit dem Kind.' Er schwieg eine Weile. 'Da kommt einmal der Ossip zu mir; 'Ossip Nikiphorowitsch?' sag ich. 'Ja,' antwortet er, 'ich bins. Dein Vater ist krank, Jegor. Er kann nicht mehr singen. Es ist jetzt ganz still im Dorfe, als ob es keine Seele mehr h�tte, unser Dorf. Nichts klopft, nichts r�hrt sich, es weint niemand mehr, und auch zum Lachen ist kein rechter Grund.' Ich denke nach. Was ist da zu machen? Ich rufe also mein Weib. 'Ustj�nka' -- sag ich�--, 'ich mu� nach Hause, es singt sonst keiner mehr dort, die Reihe ist an mir. Der Vater ist krank.' 'Gut,' sagt Ustj�nka. 'Aber ich kann dich nicht mitnehmen' -- so erkl�r ich ihr, 'der Vater, wei�t du, will dich nicht. Und auch zur�ckkommen werd ich wahrscheinlich nicht zu dir, wenn ich erst einmal wieder dort bin und singe.' Ustj�nka versteht mich: 'Nun, Gott mit dir! Es sind jetzt viele Pilger hier, da gibt es viel Almosen. Gott wird schon helfen, Jegor.' Und so geh ich also fort. Und nun, Vater, sag mir alle deine Lieder.' Es verbreitete sich das Ger�cht, da� Jegor zur�ckgekehrt sei und da� der alte Timofei wieder singe. Aber in diesem Herbst ging der Wind so heftig durch das Dorf, da� niemand von den Vor�bergehenden mit Sicherheit ermitteln konnte, ob in Timofeis Hause wirklich gesungen werde oder nicht. Und die T�r wurde keinem Pochenden ge�ffnet. Die beiden wollten allein sein. Jegor sa� am Rande des Ofens, auf welchem der Vater lag, und kam mit dem Ohr bisweilen dem Munde des Alten entgegen; denn dieser sang in der Tat. Seine alte Stimme trug, etwas geb�ckt und zitternd, alle die sch�nsten Lieder zu Jegor hin, und dieser wiegte manchmal den Kopf oder bewegte die herabh�ngenden Beine, ganz, als ob er schon selber s�nge. Das ging so viele Tage lang fort. Timofei fand immer noch ein sch�neres Lied in seiner Erinnerung; oft, nachts, weckte er den Sohn, und indem er mit den welken, zuckenden H�nden ungewisse Bewegungen machte, sang er ein kleines Lied und noch eines und noch eines -- bis der tr�ge Morgen sich zu r�hren begann. Bald nach dem sch�nsten starb er. Er hatte sich in den letzten Tagen oft arg beklagt, da� er noch eine Unmenge Lieder in sich tr�ge und nicht mehr Zeit habe, sie seinem Sohne mitzuteilen. Er lag da mit gefurchter Stirne, in angestrengtem, �ngstlichem Nachdenken, und seine Lippen zitterten vor Erwartung. Von Zeit zu Zeit setzte er sich auf, wiegte eine Weile den Kopf, bewegte den Mund, und endlich kam irgendein leises Lied hinzu; aber jetzt sang er meistens immer dieselben Strophen von Djuk Stepanowitsch, die er besonders liebte, und sein Sohn mu�te erstaunt sein und tun, als vern�hme er sie zum erstenmal, um ihn nicht zu erz�rnen. Als der alte Timofei Iwanitsch gestorben war, blieb das Haus, welches Jegor jetzt allein bewohnte, noch eine Zeitlang verschlossen. Dann, im ersten Fr�hjahr, trat Jegor Timofejewitsch, der jetzt einen ziemlich langen Bart hatte, aus seiner T�r, begann im Dorfe hin und her zu gehen und zu singen. Sp�ter kam er auch in die benachbarten D�rfer, und die Bauern erz�hlten sich schon, da� Jegor ein mindestens ebenso kundiger S�nger geworden sei wie sein Vater Timofei; denn er wu�te eine gro�e Anzahl ernster und heldenhafter Ges�nge und alle jene Weisen, die keiner, er mochte ein Kosak sein oder ein Bauer, anh�ren konnte, ohne zu weinen. Dabei soll er noch so einen sanften und traurigen Ton gehabt haben, wie man ihn noch von keinem S�nger vernommen hat. Und dieser Ton fand sich immer, ganz unerwartet, im Kehrreim vor, wodurch er besonders r�hrend wirkte. So habe ich wenigstens erz�hlen h�ren.� �Diesen Ton hat er also nicht von seinem Vater gelernt?� sagte mein Freund Ewald nach einer Weile. �Nein,� erwiderte ich, �man wei� nicht, woher der ihm kam.� Als ich vom Fenster schon fortgetreten war, machte der Lahme noch eine Bewegung und rief mir nach: �Er hat vielleicht an sein Weib und sein Kind gedacht. �brigens, hat er sie nie kommen lassen, da ja sein Vater nun tot war?� �Nein, ich glaube nicht. Wenigstens ist er sp�ter allein gestorben.� DAS LIED VON DER GERECHTIGKEIT Als ich das n�chste Mal an Ewalds Fenster vor�berkam, winkte er mir und l�chelte: �Haben Sie den Kindern etwas Bestimmtes versprochen?� �Wieso?� staunte ich. �Nun, als ich ihnen die Geschichte von Jegor erz�hlt hatte, beklagten sie sich, da� Gott in derselben nicht vork�me.� Ich erschrak: �Was, eine Geschichte ohne Gott, aber wie ist denn das m�glich?� Dann besann ich mich: �In der Tat, es ist wahr, von Gott sagt die Geschichte, wie ich sie mir jetzt �berdenke, nichts. Ich begreife nicht, wie das geschehen konnte; h�tte jemand von mir eine solche verlangt, ich glaube, ich h�tte mein ganzes Leben nachgedacht, ohne Erfolg�...� Mein Freund l�chelte �ber diesen Eifer: �Sie m�ssen sich deshalb nicht erregen,� unterbrach er mich mit einer gewissen G�te, �ich denke mir, man kann ja nie wissen, ob Gott in einer Geschichte ist, ehe man sie auch ganz beendet hat. Denn wenn auch nur noch zwei Worte fehlen sollten, ja selbst, wenn nur noch die Pause hinter dem letzten Worte der Erz�hlung aussteht: Er kann immer noch kommen.� Ich nickte, und der Lahme sagte in anderem Ton: �Wissen Sie nicht noch etwas von diesen russischen S�ngern?� Ich z�gerte: �Ja, wollen wir nicht lieber von Gott reden, Ewald?� Er sch�ttelte den Kopf: �Ich w�nsche mir so, mehr von diesen eigent�mlichen M�nnern zu vernehmen. Ich wei� nicht, wie es kommt, ich denke mir immer, wenn so einer hier bei mir eintr�te�--� und er wandte den Kopf ins Zimmer nach der T�re zu. Aber seine Augen kehrten schnell und nicht ohne Verlegenheit zu mir zur�ck -- �Doch das ist ja wohl nicht m�glich,� verbesserte er eilig. �Warum sollte das nicht m�glich sein, Ewald? Ihnen kann manches begegnen, was den Menschen, die ihre Beine brauchen k�nnen, verwehrt bleibt, weil sie an so vielem vor�bergehen und vor so manchem davonlaufen. Gott hat Sie, Ewald, dazu bestimmt, ein ruhiger Punkt zu sein mitten in aller Hast. F�hlen Sie nicht, wie alles sich um Sie bewegt? Die anderen jagen den Tagen nach, und wenn sie mal einen erreicht haben, sind sie so atemlos, da� sie gar nicht mit ihm sprechen k�nnen. Sie aber, mein Freund, sitzen einfach an Ihrem Fenster und warten; und den Wartenden geschieht immer etwas. Sie haben ein ganz besonderes Los. Denken Sie, sogar die Iberische Madonna in Moskau mu� aus ihrem Kapellchen heraus und f�hrt in einem schwarzen Wagen mit vier Pferden zu denen, die irgend etwas feiern, sei es die Taufe oder den Tod. Zu Ihnen aber mu� alles kommen�--� �Ja,� sagte Ewald mit einem fremden L�cheln, �ich kann sogar dem Tod nicht entgegengehen. Viele Menschen finden ihn unterwegs. Er scheut sich, ihre H�user zu betreten, und ruft sie hinaus in die Fremde, in den Krieg, auf einen steilen Turm, auf eine schwankende Br�cke, in eine Wildnis oder in den Wahnsinn. Die meisten holen ihn wenigstens drau�en irgendwo ab und tragen ihn dann auf ihren Schultern nach Hause, ohne es zu merken. Denn der Tod ist tr�ge; wenn die Menschen ihn nicht fortw�hrend st�ren w�rden, wer wei�, er schliefe vielleicht ein.� Der Kranke dachte eine Weile nach und fuhr dann mit einem gewissen Stolz fort: �Aber zu mir wird er kommen m�ssen, wenn er mich will. Hier in meine kleine helle Stube, in der die Blumen sich so lange halten, �ber diesen alten Teppich, an diesem Schrank vorbei, zwischen Tisch und Bettende durch (es ist gar nicht leicht, vor�berzukommen) bis her an meinen breiten, lieben, alten Stuhl, der dann wahrscheinlich mit mir sterben wird, weil er sozusagen mit mir gelebt hat. Und er wird dies alles tun m�ssen in der �blichen Art, ohne L�rm, ohne etwas umzuwerfen, ohne etwas Ungew�hnliches zu beginnen, wie ein Besuch. Dieser Umstand bringt mir meine Stube merkw�rdig nah. Es wird sich alles hier abspielen auf dieser engen Szene, und darum wird auch dieser letzte Vorgang sich nicht sehr von allen anderen Ereignissen unterscheiden, welche sich hier begeben haben und noch bevorstehen. Es hat mir immer schon als Kind seltsam geschienen, da� die Menschen vom Tode anders sprechen als von allen anderen Begebenheiten, und das nur deshalb, weil jeder von dem, was ihm nachher geschieht, nichts mehr verr�t. Wodurch aber unterscheidet sich denn ein Toter von einem Menschen, welcher ernst wird, auf die Zeit verzichtet und sich einschlie�t, um �ber etwas ruhig nachzudenken, dessen L�sung ihn lange schon qu�lt? Unter den Leuten kann man sich doch nicht einmal des Vaterunsers erinnern, wie denn erst irgendeines anderen dunkleren Zusammenhanges, der vielleicht nicht in Worten, sondern in Ereignissen besteht. Man mu� abseits gehen in irgendeine unzug�ngliche Stille, und vielleicht sind die Toten solche, die sich zur�ckgezogen haben, um �ber das Leben nachzudenken.� Es entstand eine kleine Schweigsamkeit, die ich mit folgenden Worten begrenzte: �Ich mu� dabei an ein junges M�dchen denken. Man kann sagen, da� sie in den ersten siebzehn Jahren ihres heiteren Lebens nur geschaut hat. Ihre Augen waren so gro� und so selbst�ndig, da� sie alles, was sie empfingen, selbst verbrauchten, und das Leben in dem ganzen K�rper des jungen Gesch�pfes ging, unabh�ngig davon, von schlichten, inneren Ger�uschen gen�hrt, vor sich. Am Ende dieser Zeit aber st�rte irgendein zu heftiges Ereignis dieses doppelte, kaum sich ber�hrende Leben, die Augen brachen gleichsam nach innen durch, und die ganze Schwere des �u�eren fiel durch sie in das dunkle Herz hinein, und jeder Tag st�rzte mit solcher Wucht in die tiefen, steilen Blicke, da� er in der engen Brust zersprang wie ein Glas. Da wurde das junge M�dchen bla�, begann zu kr�nkeln, einsam zu werden, nachzudenken, und endlich suchte es selbst jene Stille auf, darin die Gedanken wahrscheinlich nicht mehr gest�rt werden.� �Wie ist sie gestorben?� fragte mein Freund leise, mit etwas heiserer Stimme. �Sie ist ertrunken. In einem tiefen, stillen Teich, und an der Oberfl�che desselben entstanden viele Ringe, die langsam weit wurden und unter den wei�en Wasserrosen hin wuchsen, so da� alle diese badenden Bl�ten sich bewegten.� �Ist das auch eine Geschichte?� sagte Ewald, um die Stille hinter meinen Worten nicht m�chtig werden zu lassen. �Nein,� entgegnete ich, �das ist ein Gef�hl.� �Aber k�nnte man es nicht auch den Kindern �bermitteln -- dieses Gef�hl?� Ich �berlegte. �Vielleicht�--� �Und wodurch?� �Durch eine andere Geschichte.� Und ich erz�hlte: �Es war zur Zeit, als man im s�dlichen Ru�land um die Freiheit k�mpfte.� �Verzeihen Sie,� sagte Ewald, �wie ist das zu verstehen -- wollte sich das Volk etwa vom Zaren losmachen? Das w�rde nicht zu dem passen, was ich mir von Ru�land denke, und auch mit Ihren fr�heren Erz�hlungen in Widerspruch stehen. In diesem Falle w�rde ich vorziehen, Ihre Geschichte nicht zu h�ren. Denn ich liebe das Bild, welches ich mir von den Dingen dort gemacht habe, und will es unbesch�digt behalten.� Ich mu�te l�cheln und beruhigte ihn: �Die polnischen Pans (ich h�tte das vorausschicken m�ssen) waren Herren im s�dlichen Ru�land und in jenen stillen, einsamen Steppen, welche man mit dem Namen Ukraine bezeichnet. Sie waren harte Herren. Ihre Bedr�ckung und die Habgier der Juden, welche sogar den Kirchenschl�ssel in H�nden hatten, den sie nur gegen Bezahlung den Rechtgl�ubigen auslieferten, hatte das jugendliche Volk um Kiew herum und den ganzen Dnjepr aufw�rts m�de und nachdenklich gemacht. Die Stadt selbst, Kiew, das heilige, der Ort, wo Ru�land zuerst mit vierhundert Kirchenkuppeln von sich erz�hlte, versank immer mehr in sich selbst und verzehrte sich in Br�nden wie in pl�tzlichen, irren Gedanken, hinter denen die Nacht nur immer uferloser wird. Das Volk in der Steppe wu�te nicht recht, was geschah. Aber von seltsamer Unruhe erfa�t, traten die Greise nachts aus den H�tten und betrachteten schweigend den hohen, ewig windlosen Himmel, und am Tage konnte man Gestalten auf dem R�cken der Kurgane auftauchen sehen, die sich wartend vor der flachen Ferne erhoben. Diese Kurgane sind Grabst�tten vergangener Geschlechter, die die ganze Heide wie ein erstarrter, schlafender Wellenschlag durchziehen. Und in diesem Land, in welchem die Gr�ber die Berge sind, sind die Menschen die Abgr�nde. Tief, dunkel, schweigsam ist die Bev�lkerung, und ihre Worte sind nur schwache, schwankende Br�cken �ber ihrem wirklichen Sein. -- Manchmal heben sich dunkle V�gel von den Kurganen. Manchmal st�rzen wilde Lieder in die d�mmernden Menschen hinein und verschwinden in ihnen tief, w�hrend die V�gel im Himmel verloren gehen. Nach allen Richtungen hin scheint alles grenzenlos. Die H�user selbst k�nnen nicht besch�tzen vor dieser Unerme�lichkeit; ihre kleinen Fenster sind voll davon. Nur in den dunkelnden Ecken der Stuben stehen die alten Ikone, wie Meilensteine Gottes, und der Glanz von einem kleinen Licht geht durch ihre Rahmen, wie ein verirrtes Kind durch die Sternennacht. Diese Ikone sind der einzige Halt, das einzige zuverl�ssige Zeichen am Wege, und kein Haus kann ohne sie bestehen. Immer wieder werden welche notwendig; wenn eines zerbricht vor Alter und Wurm, wenn jemand heiratet und sich eine H�tte zimmert, oder wenn einer, wie zum Beispiel der alte Abraham, stirbt mit dem Wunsch, den heiligen Nikolaus, den Wundert�ter, in den gefalteten H�nden mitzunehmen, wahrscheinlich, um die Heiligen im Himmel mit diesem Bilde zu vergleichen und den besonders Verehrten vor allen anderen zu erkennen. So kommt es, da� Peter Akimowitsch, eigentlich Schuster von Beruf, auch Ikone malt. Wenn er von der einen Arbeit m�de ist, geht er, nachdem er sich dreimal bekreuzt hat, zu der anderen �ber, und �ber seinem N�hen und H�mmern wie �ber seinem Malen waltet die gleiche Fr�mmigkeit. Jetzt ist er schon ein alter Mann, aber doch ziemlich r�stig. Den R�cken, den er �ber die Stiefel biegt, richtet er vor den Bildern wieder gerade, und so hat er sich eine gute Haltung bewahrt und ein gewisses Gleichgewicht in den Schultern und im Kreuz. Den gr��ten Teil seines Lebens hat er ganz allein verbracht, sich gar nicht hineinmischend in die Unruhe, die dadurch entstand, da� sein Weib Akulina ihm Kinder gebar und da� diese verstarben oder sich verheirateten. Erst in seinem siebzigsten Jahre hatte Peter sich mit denen in Verbindung gesetzt, die in seinem Hause verblieben waren und die er nun erst als wirklich vorhanden betrachtete. Das waren: Akulina, sein Weib, eine stille, dem�tige Person, die sich fast ganz in den Kindern fortgegeben hatte, eine alternde, h��liche Tochter und Aljoscha, ein Sohn, welcher, unverh�ltnism��ig sp�t geboren, erst siebzehn Jahre z�hlte. Diesen wollte Peter f�r die Malerei heranbilden; denn er sah ein, da� er bald nicht allen Bestellungen w�rde entsprechen k�nnen. Aber er gab den Unterricht bald auf. Aljoscha hatte die allerheiligste Jungfrau gemalt, aber das strenge und richtige Vorbild so wenig erreicht, da� sein Machwerk aussah wie ein Bild der Mariana, der Tochter des Kosaken Golokopytenko, also wie etwas durchaus S�ndiges, und der alte Peter beeilte sich, nachdem er sich oft bekreuzt hatte, das beleidigte Brett mit einem heiligen Dmitrij zu �bermalen, welchen er aus einem unbekannten Grunde �ber alle anderen Heiligen stellte. Aljoscha versuchte auch nie mehr ein Bild zu beginnen. Wenn ihm der Vater nicht befahl, einen Nimbus zu vergolden, war er meistens drau�en in der Steppe, kein Mensch wu�te wo. Niemand hielt ihn zu Hause. Die Mutter wunderte sich �ber ihn und hatte eine Scheu, mit ihm zu reden, als ob er ein Fremder w�re oder ein Beamter. Die Schwester hatte ihn geschlagen, solang er ein Kind war, und jetzt, seit Aljoscha erwachsen war, begann sie ihn zu verachten, daf�r, da� er sie nicht schlug. Aber auch im Dorfe war niemand, der sich um den Burschen k�mmerte. Mariana, die Kosakentochter, hatte ihn ausgelacht, als er ihr erkl�rte, er wolle sie heiraten, und die anderen M�dchen hatte Aljoscha nicht danach gefragt, ob sie ihn als Br�utigam annehmen m�chten. In die Ssetsch, zu den Zaporogern, hatte ihn keiner mitnehmen wollen, weil er allen zu schw�chlich schien und vielleicht auch noch etwas zu jung. Einmal war er schon davongelaufen bis zum n�chsten Kloster, aber die M�nche nahmen ihn nicht auf -- und so blieb nur die Heide f�r ihn, die weite, wogende Heide. Ein J�ger hatte ihm einmal ein altes Gewehr geschenkt, das wei� Gott womit geladen war. Das schleppte Aljoscha immer mit, scho� es aber niemals ab, erstens, weil er den Schu� sparen wollte, und dann, weil er nicht wu�te wof�r. An einem lauen, stillen Abend, zu Anfang des Sommers, sa�en alle beisammen an dem groben Tisch, auf welchem eine Sch�ssel mit Gr�tze stand. Peter a�, und die anderen schauten ihm zu und warteten auf das, was er �briglassen w�rde. Pl�tzlich lie� der Alte den L�ffel in der Luft stehen und streckte den breiten welken Kopf in den Lichtstreifen, der von der T�r kam und quer �ber den Tisch in die D�mmerung lief. Alle horchten. Es war au�en an den W�nden der H�tte ein Ger�usch, wie wenn ein Nachtvogel mit seinen Fl�geln sachte die Balken streifte; aber die Sonne war kaum untergegangen, und die n�chtlichen V�gel kamen ja �berhaupt selten bis ins Dorf. Und da war es wieder, als tappe irgendein anderes gro�es Tier ums Haus und als w�re von allen W�nden zugleich sein suchender Schritt vernehmbar. Aljoscha erhob sich leise von seiner Bank, in demselben Augenblick verdunkelte sich die T�r von etwas Hohem, Schwarzem; es verdr�ngte den ganzen Abend, brachte Nacht in die H�tte und bewegte sich in seiner Gr��e nur unsicher vorw�rts. 'Der Ostap!' sagte die H��liche mit ihrer b�sen Stimme. Und jetzt erkannten ihn alle. Es war einer von den blinden Kobzars, ein Greis, der mit einer zw�lfsaitigen Bandura durch die D�rfer ging und von dem gro�en Ruhm der Kosaken, von ihrer Tapferkeit und Treue, von ihren Hetmans Kirdjaga, Kukubenko, Bulba und anderen Helden sang, so da� alle es gerne h�rten. Ostap verneigte sich dreimal tief in der Richtung, in der er das Heiligenbild vermutete (und es war die Znamenskaja, zu der er sich so, unbewu�t, wandte), setzte sich dann an den Ofen und fragte mit leiser Stimme: 'Bei wem bin ich eigentlich?' 'Bei uns, V�terchen, bei Peter Akimowitsch, dem Schuster,' erwiderte Peter freundlich. Er war ein Freund des Gesanges und freute sich dieses unerwarteten Besuches. 'Ah, bei Peter Akimowitsch, dem, der die Bilder malt,' sagte der Blinde, um auch eine Freundlichkeit zu erweisen. Dann wurde es still. In den langen sechs Saiten der Bandura begann ein Klang, wuchs und kam kurz und gleichsam ersch�pft von den sechs kurzen Saiten zur�ck, und diese Wirkung wiederholte sich in immer rascheren Takten, so da� man endlich die Augen schlie�en mu�te, in Angst, den Ton von der in rasendem Lauf erstiegenen Melodie irgendwo hinabst�rzen zu sehen; da brach das Lied ab und gab der sch�nen, schweren Stimme des Kobzars Raum, welche bald das ganze Haus erf�llte und auch aus den benachbarten H�tten die Leute rief, die sich vor der T�re und unter den Fenstern versammelten. Aber nicht von Helden ging diesmal das Lied. Schon ganz sicher schien Bulbas und Ostranitzas und Naliwaikos Ruhm. F�r alle Zeiten fest schien die Treue der Kosaken. Nicht von ihren Taten ging heute das Lied. Tiefer zu schlafen schien in allen, welche es vernahmen, der Tanz; denn keiner r�hrte die Beine oder hob die H�nde empor. Wie Ostaps Kopf, so waren auch die anderen K�pfe gesenkt und wurden schwer von dem traurigen Lied: �Es ist keine Gerechtigkeit mehr in der Welt. Die Gerechtigkeit, wer kann sie finden? Es ist keine Gerechtigkeit mehr in der Welt; denn alle Gerechtigkeit ist den Gesetzen der Ungerechtigkeit unterstellt. �Heut ist die Gerechtigkeit elend in Fesseln. Und das Unrecht lacht �ber sie, wir sahns, und sitzt mit den Pans in den goldenen Sesseln und sitzt in dem goldenen Saal mit den Pans. �Die Gerechtigkeit liegt an der Schwelle und fleht; bei den Pans ist das Unrecht, das Schlechte, zu Gast, und sie laden es lachend in ihren Palast, und sie schenken dem Unrecht den Becher voll Met. �O, Gerechtigkeit, M�tterchen, M�tterchen mein, mit dem Fittich, der jenem des Adlers gleicht, es kommt vielleicht noch ein Mann, der gerecht, der gerecht sein will, dann helfe ihm Gott, Er vermag es allein, und macht dem Gerechten die Tage leicht.� Und die K�pfe hoben sich nur m�hsam, und auf allen Stirnen stand Schweigsamkeit; das erkannten auch die, welche reden wollten. Und nach einer kleinen, ernsten Stille begann wieder das Spiel auf der Bandura, diesmal schon besser verstanden von der immer wachsenden Menge. Dreimal sang Ostap sein Lied von der Gerechtigkeit. Und es war jedesmal ein anderes. War es zum erstenmal Klage, so erschien es bei der Wiederholung Vorwurf, und endlich, da der Kobzar es zum drittenmal mit hocherhobener Stirne wie eine Kette kurzer Befehle rief, da brach ein wilder Zorn aus den zitternden Worten und erfa�te alle und ri� sie hin in eine breite und zugleich bange Begeisterung. 'Wo sammeln sich die M�nner?' fragte ein junger Bauer, als der S�nger sich erhob. Der Alte, der von allen Bewegungen der Kosaken unterrichtet war, nannte einen nahen Ort. Schnell zerstreuten sich die M�nner, man h�rte kurze Rufe, Waffen r�hrten sich, und vor den T�ren weinten die Weiber. Eine Stunde sp�ter zog ein Trupp Bauern, bewaffnet, aus dem Dorfe gegen Tschernigof zu. Peter hatte dem Kobzar ein Glas Most angeboten in der Hoffnung, mehr von ihm zu erfahren. Der Alte sa�, trank, gab aber nur kurze Antworten auf die vielen Fragen des Schusters. Dann dankte er und ging. Aljoscha f�hrte den Blinden �ber die Schwelle. Als sie drau�en waren in der Nacht und allein, bat Aljoscha: 'Und d�rfen alle mitgehen in den Krieg?' 'Alle,' sagte der Alte und verschwand rascher ausschreitend, als ob er sehend w�rde in der Nacht. Als alle schliefen, erhob sich Aljoscha vom Ofen, wo er in den Kleidern gelegen hatte, nahm sein Gewehr und ging hinaus. Drau�en f�hlte er sich mit einem Male umarmt und sanft aufs Haar gek��t. Gleich darauf erkannte er im Mondlicht Akulina, die eilig und trippelnd auf das Haus zulief. 'Mutter?!' staunte er, und es wurde ihm ganz eigent�mlich zumut. Er z�gerte eine Weile. Eine T�r ging irgendwo, und ein Hund heulte in der N�he. Da warf Aljoscha sein Gewehr �ber die Schulter und schritt stark aus, denn er gedachte die M�nner noch vor Morgen einzuholen. Im Hause aber taten alle, als ob sie Aljoschas Fehlen nicht bemerkten. Nur als sie sich wieder zu Tische setzten und Peter den leeren Platz gewahrte, stand er noch einmal auf, ging in die Ecke und z�ndete eine Kerze an vor der Znamenskaja. Eine ganz d�nne Kerze. Die H��liche zuckte mit den Achseln. Indessen ging Ostap, der blinde Greis, schon durch das n�chste Dorf und begann traurig und mit sanfter klagender Stimme den Gesang von der Gerechtigkeit.� Der Lahme wartete noch eine Weile. Dann sah er mich erstaunt an: �Nun, weshalb schlie�en Sie nicht? Es ist doch wie in der Geschichte vom Verrat. Dieser Alte war Gott.� �O, und ich habe es nicht gewu�t,� sagte ich erschauernd. EINE SZENE AUS DEM GHETTO VON VENEDIG Herr Baum, Hausbesitzer, Bezirksobmann, Ehrenoberster der freiwilligen Feuerwehr und noch verschiedenes andere, aber, um es kurz zu sagen: Herr Baum mu� eines meiner Gespr�che mit Ewald belauscht haben. Es ist kein Wunder; ihm geh�rt das Haus, darin mein Freund zu ebener Erde wohnt. Herr Baum und ich, wir kennen uns l�ngst vom Sehen. Neulich aber bleibt der Bezirksobmann stehen, hebt ein wenig den Hut, so da� ein kleiner Vogel h�tte ausfliegen k�nnen, im Falle einer drunter gefangen gewesen w�re. Er l�chelt h�flich und er�ffnet unsere Bekanntschaft: �Sie reisen manchmal?� �O ja�--,� erwiderte ich, etwas zerstreut, �das kann wohl sein.� Nun fuhr er vertraulich fort: �Ich glaube, wir sind die beiden einzigen hier, die in Italien waren.� �So�--,� ich bem�hte mich etwas aufmerksamer zu sein�--, �ja, dann ist es allerdings dringend notwendig, da� wir miteinander reden.� Herr Baum lachte. �Ja, Italien -- das ist doch noch etwas. Ich erz�hle immer meinen Kindern -- zum Beispiel nehmen Sie Venedig!� Ich blieb stehen: �Sie erinnern sich noch Venedigs?� �Aber, ich bitte Sie,� st�hnte er, denn er war etwas zu dick, um sich m�helos zu entr�sten, -- �wie sollte ich nicht -- wer das einmal gesehen hat -- diese Piazzetta -- nicht wahr?� �Ja,� entgegnete ich, �ich erinnere mich besonders gern der Fahrt durch den Kanal, dieses leisen lautlosen Hingleitens am Rande von Vergangenheiten.� �Der Palazzo Franchetti,� fiel ihm ein. �Die C� Doro,� -- gab ich zur�ck. �Der Fischmarkt�--� �Der Palazzo Vendramin�--� �Wo Richard Wagner� -- f�gte er rasch, als ein gebildeter Deutscher hinzu. Ich nickte: �Den Ponte, wissen Sie?� Er l�chelte mit Orientierung: �Selbstverst�ndlich, und das Museum, die Akademie nicht zu vergessen, wo ein Tizian�...� So hat sich Herr Baum einer Art Pr�fung unterzogen, die etwas anstrengend war. Ich nahm mir vor, ihn durch eine Geschichte zu entsch�digen. Und begann ohne weiteres: �Wenn man unter dem Ponte di Rialto hindurchf�hrt, an dem Fondaco de' Turchi und an dem Fischmarkt vorbei, und dem Gondolier sagt: 'Rechts!' so sieht er etwas erstaunt aus und fragt wohl gar 'Dove?' Aber man besteht darauf, nach rechts zu fahren, und steigt in einem der kleinen schmutzigen Kan�le aus, handelt mit ihm, schimpft und geht durch gedr�ngte Gassen und schwarze verqualmte Torg�nge auf einen leeren freien Platz hinaus. Alles das einfach aus dem Grunde, weil dort meine Geschichte handelt.� Herr Baum ber�hrte mich sanft am Arm: �Verzeihen Sie, welche Geschichte?� Seine kleinen Augen gingen etwas be�ngstigt hin und her. Ich beruhigte ihn: �Irgendeine, verehrter Herr, keine irgendwie nennenswerte. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wann sie geschah. Vielleicht unter dem Dogen Alvise Moncenigo�IV., aber es kann auch etwas fr�her oder sp�ter gewesen sein. Die Bilder von Carpaccio, wenn Sie solche gesehen haben sollten, sind wie auf purpurnem Samt gemalt, �berall bricht etwas Warmes, gleichsam Waldiges durch, und um die ged�mpften Lichter darin dr�ngen sich horchende Schatten. Giorgione hat auf mattem, alterndem Gold, Tizian auf schwarzem Atlas gemalt, aber in der Zeit, von der ich rede, liebte man lichte Bilder, auf einen Grund von wei�er Seide gesetzt, und der Name, mit dem man spielte, den sch�ne Lippen in die Sonne warfen und den reizende Ohren auffingen, wenn er zitternd niederfiel, dieser Name ist Gian Battista Tiepolo. Aber das alles kommt in meiner Geschichte nicht vor. Es geht nur das wirkliche Venedig an, die Stadt der Pal�ste, der Abenteuer, der Masken und der blassen Lagunenn�chte, die wie keine anderen N�chte sonst den Ton von heimlichen Romanzen tragen. -- In dem St�ck Venedig, von dem ich erz�hle, sind nur arme t�gliche Ger�usche, die Tage gehen gleichf�rmig dar�ber hin, als ob es nur ein einziger w�re, und die Ges�nge, die man dort vernimmt, sind wachsende Klagen, die nicht aufsteigen und wie ein wallender Qualm �ber den Gassen lagern. Sobald es d�mmert, treibt sich viel scheues Gesindel dort herum, unz�hlige Kinder haben ihre Heimat auf den Pl�tzen und in den engen kalten Haust�ren und spielen mit Scherben und Abf�llen von buntem Glasflu�, demselben, aus dem die Meister die ernsten Mosaiken von San Marco f�gten. Ein Adeliger kommt selten in das Ghetto. H�chstens zur Zeit, wenn die Judenm�dchen zum Brunnen kommen, kann man manchmal eine Gestalt, schwarz, im Mantel und mit Maske bemerken. Gewisse Leute wissen aus Erfahrung, da� diese Gestalt einen Dolch in den Falten verborgen tr�gt. Jemand will einmal im Mondlicht das Gesicht des J�nglings gesehen haben, und es wird seither behauptet, dieser schwarze schlanke Gast sei Marcantonio Priuli, Sohn des Proveditore Nicol� Priuli und der sch�nen Catharina Minelli. Man wei�, er wartet unter dem Torweg des Hauses von Isaak Rosso, geht dann, wenn es einsam wird, quer �ber den Platz und tritt bei dem alten Melchisedech ein, dem reichen Goldschmied, der viele S�hne und sieben T�chter und von den S�hnen und T�chtern viele Enkel hat. Die j�ngste Enkelin, Esther, erwartet ihn, an den greisen Gro�vater geschmiegt, in einem niederen, dunklen Gemach, in welchem vieles gl�nzt und gl�ht, und Seide und Samt h�ngt sanft �ber den Gef��en, wie um ihre vollen, goldenen Flammen zu stillen. Hier sitzt Marcantonio auf einem silbergestickten Kissen, dem greisen Juden zu F��en und erz�hlt von Venedig, wie von einem M�rchen, das es nirgendwo jemals ganz so gegeben hat. Er erz�hlt von den Schauspielen, von den Schlachten des venezianischen Heeres, von fremden G�sten, von Bildern und Bilds�ulen, von der �Sensa� am Himmelfahrtstage, von dem Karneval und von der Sch�nheit seiner Mutter Catharina Minelli. Alles das ist f�r ihn von �hnlichem Sinn, verschiedene Ausdr�cke f�r Macht und Liebe und Leben. Den beiden Zuh�rern ist alles fremd; denn die Juden sind streng ausgeschlossen von jedem Verkehr, und auch der reiche Melchisedech betritt niemals das Gebiet des Gro�en Rates, obwohl er als Goldschmied und weil er allgemeine Achtung geno�, es h�tte wagen d�rfen. In seinem langen Leben hat der Alte seinen Glaubensgenossen, die ihn alle wie einen Vater f�hlten, manche Verg�nstigung vom Rate verschafft, aber er hatte auch immer wieder den R�ckschlag erlebt. Sooft ein Unheil �ber den Staat hereinbrach, r�chte man sich an den Juden; die Venezianer selbst waren von viel zu verwandtem Geiste, als da� sie, wie andere V�lker, die Juden f�r den Handel gebraucht h�tten, sie qu�lten sie mit Abgaben, beraubten sie ihrer G�ter und beschr�nkten immer mehr das Gebiet des Ghetto, so da� die Familien, die sich mitten in aller Not fruchtbar vermehrten, gezwungen waren, ihre H�user aufw�rts, eines auf das Dach des anderen zu bauen. Und ihre Stadt, die nicht am Meere lag, wuchs so langsam in den Himmel hinaus, wie in ein anderes Meer, und um den Platz mit dem Brunnen erhoben sich auf allen Seiten die steilen Geb�ude wie die W�nde irgendeines Riesenturms. Der reiche Melchisedech, in der Wunderlichkeit des hohen Alters, hatte seinen Mitb�rgern, S�hnen und Enkeln einen befremdlichen Vorschlag gemacht. Er wollte immer das jeweilig h�chste dieser winzigen H�user, die sich in zahllosen Stockwerken �bereinanderschoben, bewohnen. Man erf�llte ihm diesen seltsamen Wunsch gerne, denn man traute ohnehin nicht mehr der Tragkraft der unteren Mauern und setzte oben so leichte Steine auf, da� der Wind die W�nde gar nicht zu bemerken schien. So siedelte der Greis zwei- bis dreimal im Jahre um und Esther, die ihn nicht verlassen wollte, immer mit ihm. Schlie�lich waren sie so hoch, da�, wenn sie aus der Enge ihres Gemachs auf das flache Dach traten, in der H�he ihrer Stirnen schon ein anderes Land begann, von dessen Gebr�uchen der Alte in dunklen Worten, halb psalmend, sprach. Es war jetzt sehr weit zu ihnen hinauf; durch viele fremde Leben hindurch, �ber steile und glitschige Stufen, an scheltenden Weibern vor�ber und �ber die �berf�lle hungernder Kinder hinaus ging der Weg, und seine vielen Hindernisse beschr�nkten jeden Verkehr. Auch Marcantonio kam nicht mehr zu Besuch, und Esther vermi�te ihn kaum. Sie hatte ihn in den Stunden, da sie mit ihm allein gewesen war, so gro� und lange angeschaut, da� ihr schien, er w�re damals tief in ihre dunklen Augen gest�rzt und gestorben, und jetzt beg�nne in ihr selbst sein neues, ewiges Leben, an das er als Christ doch geglaubt hatte. Mit diesem neuen Gef�hl in ihrem jungen Leib stand sie tagelang auf dem Dache und suchte das Meer. Aber so hoch die Behausung auch war, man erkannte zuerst nur den Giebel des Palazzo Foscari, irgendeinen Turm, die Kuppel einer Kirche, eine fernere Kuppel, wie frierend im Licht, und dann ein Gitter von Masten, Balken, Stangen vor dem Rand des feuchten, zitternden Himmels. Gegen Ende dieses Sommers zog der Alte, obwohl ihm das Steigen schon schwer fiel, allen Widerreden zum Trotz, dennoch um; denn man hatte eine neue H�tte, hoch �ber allen, gebaut. Als er nach so langer Zeit wieder �ber den Platz ging, von Esther gest�tzt, da dr�ngten sich viele um ihn und neigten sich �ber seine tastenden H�nde und baten ihn um seinen Rat in vielen Dingen; denn er war ihnen wie ein Toter, der aus seinem Grabe steigt, weil irgendeine Zeit sich erf�llt hat. Und so schien es auch. Die M�nner erz�hlten ihm, da� in Venedig ein Aufstand sei, der Adel sei in Gefahr, und �ber ein kurzes w�rden die Grenzen des Ghetto fallen, und alle w�rden sich der gleichen Freiheit erfreuen. Der Alte antwortete nichts und nickte nur, als sei ihm dieses alles l�ngst bekannt und noch vieles mehr. Er trat in das Haus des Isaak Rosso, auf dessen Gipfel seine neue Wohnung lag, und stieg, einen halben Tag lang, hinauf. Oben bekam Esther ein blondes, zartes Kind. Nachdem sie sich erholt hatte, trug sie es auf den Armen hinaus auf das Dach und legte zum erstenmal den ganzen goldenen Himmel in seine offenen Augen. Es war ein Herbstmorgen von unbeschreiblicher Klarheit. Die Dinge dunkelten, fast ohne Glanz, nur einzelne fliegende Lichter lie�en sich, wie auf gro�e Blumen, auf sie nieder, ruhten eine Weile und schwebten dann �ber die goldlinigen Konturen hinaus in den Himmel. Und dort, wo sie verschwanden, erblickte man von dieser h�chsten Stelle, was noch keiner vom Ghetto aus je gesehen hatte�--, ein stilles, silbernes Licht: das Meer. Und erst jetzt, da Esthers Augen sich an die Herrlichkeit gew�hnt hatten, bemerkte sie am Rande des Daches, ganz vorn, Melchisedech. Er erhob sich mit ausgebreiteten Armen und zwang seine matten Augen, in den Tag zu schauen, der sich langsam entfaltete. Seine Arme blieben hoch, seine Stirne trug einen strahlenden Gedanken; es war, als ob er opferte. Dann lie� er sich immer wieder vorn�berfallen und pre�te den alten Kopf an die schlechten kantigen Steine. Das Volk aber stand unten auf dem Platze versammelt und blickte herauf. Einzelne Geb�rden und Worte erhoben sich aus der Menge, aber sie reichten nicht bis zu dem einsam betenden Greise. Und das Volk sah den �ltesten und den J�ngsten wie in den Wolken. Der Alte aber fuhr fort, sich stolz zu erheben und aufs neue in Demut zusammenzubrechen, eine ganze Zeit. Und die Menge unten wuchs und lie� ihn nicht aus den Augen: Hat er das Meer gesehen oder Gott, den Ewigen, in seiner Glorie?� Herr Baum bem�hte sich, recht schnell etwas zu bemerken. Es gelang ihm nicht gleich. �Das Meer wahrscheinlich,� -- sagte er dann trocken, �es ist ja auch ein Eindruck� -- wodurch er sich besonders aufgekl�rt und verst�ndig erwies. Ich verabschiedete mich eilig, aber ich konnte mich doch nicht enthalten, ihm nachzurufen: �Vergessen Sie nicht, die Begebenheit Ihren Kindern zu erz�hlen.� Er besann sich: �Den Kindern? Wissen Sie, da ist dieser junge Adlige, dieser Antonio, oder wie er hei�t, ein ganz und gar nicht sch�ner Charakter und dann: das Kind, dieses Kind! Das d�rfte doch -- f�r Kinder�--� �O,� beruhigte ich ihn, �Sie haben vergessen, verehrter Herr, da� die Kinder von Gott kommen! Wie sollten die Kinder zweifeln, da� Esther eines bekam, da sie doch so nahe am Himmel wohnt!� Auch diese Geschichte haben die Kinder vernommen, und wenn man sie fragt, wie sie dar�ber denken, was der alte Jude Melchisedech wohl erblickt haben mag in seiner Verz�ckung, so sagen sie ohne nachzusinnen: �O, das Meer auch.� VON EINEM, DER DIE STEINE BELAUSCHT Ich bin schon wieder bei meinem lahmen Freunde. Er l�chelt in seiner eigent�mlichen Art: �Und von Italien haben Sie mir noch nie erz�hlt.� �Das soll hei�en, ich m�ge es so bald als m�glich nachholen?� Ewald nickt und schlie�t schon die Augen, um zuzuh�ren. Ich fange also an. �Was wir Fr�hling f�hlen, sieht Gott als ein fl�chtiges, kleines L�cheln �ber die Erde gehen. Sie scheint sich an etwas zu erinnern, im Sommer erz�hlt sie allen davon, bis sie weiser wird in der gro�en, herbstlichen Schweigsamkeit, mit welcher sie sich Einsamen vertraut. Alle Fr�hlinge, welche Sie und ich erlebt haben, zusammengenommen, reichen noch nicht aus, eine Sekunde Gottes zu f�llen. Der Fr�hling, den Gott bemerken soll, darf nicht in B�umen und auf Wiesen bleiben, er mu� irgendwie in den Menschen m�chtig werden, denn dann geht er sozusagen nicht in der Zeit, vielmehr in der Ewigkeit vor sich und in Gegenwart Gottes. Als dieses einmal geschah, mu�ten Gottes Blicke in ihren dunkeln Schwingen �ber Italien h�ngen. Das Land unten war hell, die Zeit gl�nzte wie Gold, aber quer dar�ber, wie ein dunkler Weg, lag der Schatten eines breiten Mannes, schwer und schwarz, und weit davor der Schatten seiner schaffenden H�nde, unruhig, zuckend, bald �ber Pisa, bald �ber Neapel, bald zerflie�end auf der ungewissen Bewegung des Meeres. Gott konnte seine Augen nicht abwenden von diesen H�nden, die ihm zuerst gefaltet schienen, wie betende, -- aber das Gebet, welches ihnen entquoll, dr�ngte sie weit auseinander. Es wurde eine Stille in den Himmeln. Alle Heiligen folgten den Blicken Gottes und betrachteten wie er den Schatten, der halb Italien verh�llte, und die Hymnen der Engel blieben auf ihren Gesichtern stehen, und die Sterne zitterten, denn sie f�rchteten, irgend etwas verschuldet zu haben, und warteten dem�tig auf Gottes zorniges Wort. Aber nichts dergleichen geschah. Die Himmel hatten sich in ihrer ganzen Breite �ber Italien aufgetan, so da� Raffael in Rom auf den Knien lag, und der selige Fra Angelico von Fiesole stand in einer Wolke und freute sich �ber ihn. Viele Gebete waren zu dieser Stunde von der Erde unterwegs. Gott aber erkannte nur eines: die Kraft Michelangelos stieg wie Duft von Weinbergen zu ihm empor. Und er duldete, da� sie seine Gedanken erf�llte. Er neigte sich tiefer, fand den schaffenden Mann, sah �ber seine Schultern fort auf die am Steine horchenden H�nde und erschrak: sollten in den Steinen auch Seelen sein? Warum belauschte dieser Mann die Steine? Und nun erwachten ihm die H�nde und w�hlten den Stein auf wie ein Grab, darin eine schwache, sterbende Stimme flackert: 'Michelangelo,' rief Gott in Bangigkeit, 'wer ist im Stein?' Michelangelo horchte auf; seine H�nde zitterten. Dann antwortete er dumpf: 'Du, mein Gott, wer denn sonst. Aber ich kann nicht zu dir.' Und da f�hlte Gott, da� er auch im Steine sei, und es wurde ihm �ngstlich und enge. Der ganze Himmel war nur ein Stein, und er war mitten drin eingeschlossen und hoffte auf die H�nde Michelangelos, die ihn befreien w�rden, und er h�rte sie kommen, aber noch weit. Der Meister aber war wieder �ber dem Werke. Er dachte best�ndig: du bist nur ein kleiner Block, und ein anderer k�nnte in dir kaum einen Menschen finden. Ich aber f�hle hier eine Schulter: es ist die des Josef von Arimath�a, hier neigt sich Maria, ich sp�re ihre zitternden H�nde, welche Jesum, unseren Herrn, halten, der eben am Kreuze verstarb. Wenn in diesem kleinen Marmor diese drei Raum haben, wie sollte ich nicht einmal ein schlafendes Geschlecht aus einem Felsen heben? Und mit breiten Hieben machte er die drei Gestalten der Piet� frei, aber er l�ste nicht ganz die steinernen Schleier von ihren Gesichtern, als f�rchtete er, ihre tiefe Traurigkeit k�nnte sich l�hmend �ber seine H�nde legen. So fl�chtete er zu einem anderen Steine. Aber jedesmal verzagte er, einer Stirne ihre volle Klarheit, einer Schulter ihre reinste Rundung zu geben, und wenn er ein Weib bildete, so legte er nicht das letzte L�cheln um ihren Mund, damit ihre Sch�nheit nicht ganz verraten sei. Zu dieser Zeit entwarf er das Grabdenkmal f�r Julius della Rovere. Einen Berg wollte er bauen �ber den eisernen Papst und ein Geschlecht dazu, welches diesen Berg bev�lkerte. Von vielen dunkeln Pl�nen erf�llt, ging er hinaus nach seinen Marmorbr�chen. �ber einem armen Dorf erhob sich steil der Hang. Umrahmt von Oliven und welkem Gestein, erschienen die frisch gebrochenen Fl�chen wie ein gro�es blasses Gesicht unter alterndem Haar. Lange stand Michelangelo vor seiner verh�llten Stirne. Pl�tzlich bemerkte er darunter zwei riesige Augen aus Stein, welche ihn betrachteten. Und Michelangelo f�hlte seine Gestalt wachsen unter dem Einflu� dieses Blickes. Jetzt ragte auch er �ber dem Land, und es war ihm, als ob er von Ewigkeit her diesem Berg br�derlich gegen�berst�nde. Das Tal wich unter ihm zur�ck wie unter einem Steigenden, die H�tten dr�ngten sich wie Herden aneinander, und n�her und verwandter zeigte sich das Felsengesicht unter seinen wei�en steinernen Schleiern. Es hatte einen wartenden Ausdruck, reglos und doch am Rande der Bewegung. Michelangelo dachte nach: 'Man kann dich nicht zerschlagen, du bist ja nur Eines,' und dann hob er seine Stimme: 'Dich will ich vollenden, du bist mein Werk.' Und er wandte sich nach Florenz zur�ck. Er sah einen Stern und den Turm vom Dom. Und um seine F��e war Abend. Mit einem Mal, an der Porta Romana, z�gerte er. Die beiden H�userreihen streckten sich wie Arme nach ihm aus, und schon hatten sie ihn ergriffen und zogen ihn hinein in die Stadt. Und immer enger und d�mmernder wurden die Gassen, und als er sein Haus betrat, da wu�te er sich in dunkeln H�nden, denen er nicht entgehen konnte. Er fl�chtete in den Saal und von da in die niedere, kaum zwei Schritte lange Kammer, darin er zu schreiben pflegte. Ihre W�nde legten sich an ihn, und es war, als k�mpften sie mit seinen �berma�en und zw�ngten ihn zur�ck in die alte, enge Gestalt. Und er duldete es. Er dr�ckte sich in die Knie und lie� sich formen von ihnen. Er f�hlte eine nie gekannte Demut in sich und hatte selbst den Wunsch, irgendwie klein zu sein. Und eine Stimme kam: 'Michelangelo, wer ist in dir?' Und der Mann in der schmalen Kammer legte die Stirn schwer in die H�nde und sagte leise: 'Du, mein Gott, wer denn sonst.' Und da wurde es weit um Gott, und er hob sein Gesicht, welches �ber Italien war, frei empor und schaute um sich: in M�nteln und Mitren standen die Heiligen da, und die Engel gingen mit ihren Ges�ngen wie mit Kr�gen voll gl�nzenden Quells unter den d�rstenden Sternen umher, und es war der Himmel kein Ende.� Mein lahmer Freund hob seine Blicke und duldete, da� die Abendwolken sie mitzogen �ber den Himmel hin: �Ist Gott denn _dort_?� fragte er. Ich schwieg. Dann neigte ich mich zu ihm: �Ewald, sind wir denn _hier_?� Und wir hielten uns herzlich die H�nde. WIE DER FINGERHUT DAZU KAM, DER LIEBE GOTT ZU SEIN Als ich vom Fenster forttrat, waren die Abendwolken immer noch da. Sie schienen zu warten. Soll ich ihnen auch eine Geschichte erz�hlen? Ich schlug es ihnen vor. Aber sie h�rten mich gar nicht. Um mich verst�ndlich zu machen und die Entfernung zwischen uns zu beschr�nken, rief ich: �Ich bin auch eine Abendwolke.� Sie blieben stehen, offenbar betrachteten sie mich. Dann streckten sie mir ihre feinen, durchscheinenden r�tlichen Fl�gel entgegen. Das ist die Art, wie Abendwolken sich begr��en. Sie hatten mich erkannt. �Wir sind �ber der Erde,� -- erkl�rten sie -- �genauer �ber Europa, und du?� Ich z�gerte: �Es ist da ein Land�--� �Wie sieht es aus?� erkundigten sie sich. �Nun,� entgegnete ich -- �D�mmerung mit Dingen�--� �Das ist Europa auch,� lachte eine junge Wolke. �M�glich,� sagte ich, �aber ich habe immer geh�rt: die Dinge in Europa sind tot.� �Ja, allerdings,� bemerkte eine andere ver�chtlich. �Was w�re das f�r ein Unsinn: lebende Dinge?� �Nun,� beharrte ich, �meine leben. Das ist also der Unterschied. Sie k�nnen verschiedenes werden, und ein Ding, welches als Bleistift oder als Ofen zur Welt kommt, mu� deshalb noch nicht an seinem Fortkommen verzweifeln. Ein Bleistift kann mal ein Stock, wenn es gut geht, ein Mastbaum, ein Ofen aber mindestens ein Stadttor werden.� �Du scheinst mir eine recht einf�ltige Abendwolke zu sein,� sagte die junge Wolke, welche sich schon fr�her so wenig zur�ckhaltend ausgedr�ckt hatte. Ein alter Wolkerich f�rchtete, sie k�nnte mich beleidigt haben. �Es gibt ganz verschiedene L�nder,� beg�tigte er, �ich war einmal �ber ein kleines deutsches F�rstentum geraten, und ich glaube bis heute nicht, da� das zu Europa geh�rte.� Ich dankte ihm und sagte: �Wir werden uns schwer einigen k�nnen, sehe ich. Erlauben Sie, ich werde Ihnen einfach das erz�hlen, was ich in der letzten Zeit unter mir erblickte, das wird wohl das beste sein.� �Bitte,� gestattete der weise Wolkerich im Auftrage aller. Ich begann: �Menschen sind in einer Stube. Ich bin ziemlich hoch, m��t ihr wissen, und so kommt es: sie sehen f�r mich wie Kinder aus; deshalb will ich auch einfach sagen: Kinder. Also: Kinder sind in einer Stube. Zwei, f�nf, sechs, sieben Kinder. Es w�rde zu lange dauern, sie um ihre Namen zu fragen. �brigens scheinen die Kinder eifrig etwas zu besprechen; bei dieser Gelegenheit wird sich ja der eine oder der andere Name verraten. Sie stehen wohl schon eine ganze Weile so beisammen, denn der �lteste (ich vernehme, da� er Hans gerufen wird) bemerkt gleichsam abschlie�end: 'Nein, so kann es entschieden nicht bleiben. Ich habe geh�rt, fr�her haben die Eltern den Kindern am Abend immer, oder wenigstens an braven Abenden -- Geschichten erz�hlt bis zum Einschlafen. Kommt so etwas heute vor?' Eine kleine Pause, dann antwortet Hans selbst: 'Es kommt nicht vor, nirgends. Ich f�r meinen Teil, auch weil ich schon gro� bin gewisserma�en, schenke ihnen ja gern diese paar elenden Drachen, mit denen sie sich qu�len w�rden, aber immerhin, es geh�rt sich, da� sie uns sagen, es gibt Nixen, Zwerge, Prinzen und Ungeheuer.' 'Ich habe eine Tante,' bemerkte eine Kleine, 'die erz�hlt mir manchmal�--' 'Ach was,' schneidet Hans kurz ab, 'Tanten gelten nicht, die l�gen.' Die ganze Gesellschaft war sehr eingesch�chtert angesichts dieser k�hnen, aber unwiderlegten Behauptung. Hans f�hrt fort: 'Auch handelt es sich hier vor allem um die Eltern, weil diese gewisserma�en die Verpflichtung haben, uns in dieser Weise zu unterrichten: bei den anderen ist es mehr G�te. Verlangen kann man es nicht von ihnen. Aber gebt nur mal acht: was tun unsere Eltern? Sie gehen mit b�sen gekr�nkten Gesichtern umher, nichts ist ihnen recht, sie schreien und schelten, aber dabei sind sie doch so gleichg�ltig, und wenn die Welt unterginge, sie w�rden es kaum bemerken. Sie haben etwas, was sie �Ideale� nennen. Vielleicht ist das auch so eine Art kleine Kinder, die nicht allein bleiben d�rfen und sehr viel M�he machen; aber dann h�tten sie eben uns nicht haben d�rfen. Nun, ich denke so, Kinder: da� die Eltern uns vernachl�ssigen, ist traurig, gewi�. Aber wir w�rden das dennoch ertragen, wenn es nicht ein Beweis w�re daf�r, da� die Gro�en �berhaupt dumm werden, zur�ckgehen, wenn man so sagen darf. Wir k�nnen ihren Verfall nicht aufhalten; denn wir k�nnen den ganzen Tag keinen Einflu� auf sie aus�ben, und kommen wir sp�t aus der Schule nach Haus, wird kein Mensch verlangen, da� wir uns hinsetzen und versuchen, sie f�r etwas Vern�nftiges zu interessieren. Es tut einem auch recht weh, wenn man so unter der Lampe sitzt und sitzt, und die Mutter begreift nicht einmal den pythagoreischen Lehrsatz. Nun, es ist einmal nicht anders. So werden die Gro�en immer d�mmer werden ... es schadet nichts: was kann uns dabei verloren gehen? die Bildung? Sie ziehen den Hut voreinander, und wenn eine Glatze dabei zum Vorschein kommt, so lachen sie. �berhaupt: sie lachen best�ndig. Wenn wir nicht dann und wann so vern�nftig w�ren, zu weinen, es g�be durchaus kein Gleichgewicht auch in diesen Angelegenheiten. Dabei sind sie von einem Hochmut: sie behaupten sogar, der Kaiser sei ein Erwachsener. Ich habe in den Zeitungen gelesen, der K�nig von Spanien sei ein Kind, so ist es mit allen K�nigen und Kaisern, -- la�t euch nur nichts einreden! Aber neben allem �berfl�ssigen haben die Gro�en doch etwas, was uns durchaus nicht gleichg�ltig sein kann: den lieben Gott. Ich habe ihn zwar noch bei keinem von ihnen gesehen, -- aber gerade das ist verd�chtig. Es ist mir eingefallen, sie k�nnten ihn in ihrer Zerstreutheit, Gesch�ftigkeit und Hast irgendwo verloren haben. Nun ist er aber etwas durchaus Notwendiges. Verschiedenes kann ohne ihn nicht geschehen, die Sonne kann nicht aufgehen, keine Kinder k�nnen kommen, aber auch das Brot wird aufh�ren. Wenn es auch beim B�cker herauskommt, der liebe Gott sitzt und dreht die gro�en M�hlen. Es lassen sich leicht viele Gr�nde finden, weshalb der liebe Gott etwas Unentbehrliches ist. Aber so viel steht fest, die Gro�en k�mmern sich nicht um ihn, also m�ssen wir Kinder es tun. H�rt, was ich mir ausgedacht habe. Wir sind genau sieben Kinder. Jedes mu� den lieben Gott einen Tag tragen, dann ist er die ganze Woche bei uns, und man wei� immer, wo er sich gerade befindet.' Hier entstand eine gro�e Verlegenheit. Wie sollte das geschehen? Konnte man denn den lieben Gott in die Hand nehmen oder in die Tasche stecken? Dazu erz�hlte ein Kleiner: 'Ich war allein im Zimmer. Eine kleine Lampe brannte nahe bei mir, und ich sa� im Bett und sagte mein Abendgebet -- sehr laut. Es r�hrte sich etwas in meinen gefalteten H�nden. Es war weich und warm und wie ein kleines V�gelchen. Ich konnte die H�nde nicht auftun, denn das Gebet war noch nicht aus. Aber ich war sehr neugierig und betete furchtbar schnell. Dann beim Amen machte ich so (der Kleine streckte die H�nde aus und spreizte die Finger), aber es war nichts da.' Das konnten sich alle vorstellen. Auch Hans wu�te keinen Rat. Alle schauten ihn an. Und auf einmal sagte er: 'Das ist ja dumm. Ein jedes Ding kann der liebe Gott sein. Man mu� es ihm nur sagen.' Er wandte sich an den ihm zun�chst stehenden, rothaarigen Knaben. 'Ein Tier kann das nicht. Es l�uft davon. Aber ein Ding, siehst du, es steht, du kommst in die Stube, bei Tag, bei Nacht, es ist immer da, es kann wohl der liebe Gott sein.' Allm�hlich �berzeugten sich die anderen davon. 'Aber wir brauchen einen kleinen Gegenstand, den man �berall mittragen kann, sonst hat es ja keinen Sinn. Leert einmal alle eure Taschen aus.' Da zeigten sich nun sehr seltsame Dinge: Papierschnitzel, Federmesser, Radiergummi, Federn, Bindfaden, kleine Steine, Schrauben, Pfeifen, Holzsp�nchen und vieles andere, was sich aus der Ferne gar nicht erkennen l��t, oder wof�r der Name mir fehlt. Und alle diese Dinge lagen in den seichten H�nden der Kinder, wie erschrocken �ber die pl�tzliche M�glichkeit, der liebe Gott zu werden, und welches von ihnen ein bi�chen gl�nzen konnte, gl�nzte, um dem Hans zu gefallen. Lange schwankte die Wahl. Endlich fand sich bei der kleinen Resi ein Fingerhut, den sie ihrer Mutter einmal weggenommen hatte. Er war licht wie aus Silber, und um seiner Sch�nheit willen wurde er der liebe Gott. Hans selbst steckte ihn ein, denn er begann die Reihe, und alle Kinder gingen den ganzen Tag hinter ihm her und waren stolz auf ihn. Nur schwer einigte man sich, wer ihn morgen haben sollte, und Hans stellte in seiner Umsicht dann das Programm gleich f�r die ganze Woche fest, damit kein Streit ausbr�che. Diese Einrichtung erwies sich im ganzen als �beraus zweckm��ig. Wer den lieben Gott gerade hatte, konnte man auf den ersten Blick erkennen. Denn der Betreffende ging etwas steifer und feierlicher und machte ein Gesicht wie am Sonntag. Die ersten drei Tage sprachen die Kinder von nichts anderem. Jeden Augenblick verlangte eines den lieben Gott zu sehen, und wenn sich der Fingerhut unter dem Einflu� seiner gro�en W�rde auch gar nicht ver�ndert hatte, das Fingerhutliche an ihm erschien jetzt nur als ein bescheidenes Kleid um seine wirkliche Gestalt. Alles ging nach der Ordnung vor sich. Am Mittwoch hatte ihn Paul, am Donnerstag die kleine Anna. Der Samstag kam. Die Kinder spielten Fangen und tollten atemlos durcheinander, als Hans pl�tzlich rief: 'Wer hat denn den lieben Gott?' Alle standen. Jedes sah das andere an. Keines erinnerte sich, ihn seit zwei Tagen gesehen zu haben. Hans z�hlte ab, wer an der Reihe sei; es kam heraus: die kleine Marie. Und nun verlangte man ohne weiteres von der kleinen Marie den lieben Gott. Was war da zu tun? Die Kleine kratzte in ihren Taschen herum. Jetzt fiel ihr erst ein, da� sie ihn am Morgen erhalten hatte; aber jetzt war er fort, wahrscheinlich hatte sie ihn hier beim Spielen verloren. Und als alle Kinder nach Hause gingen, blieb die Kleine auf der Wiese zur�ck und suchte. Das Gras war ziemlich hoch. Zweimal kamen Leute vor�ber und fragten, ob sie etwas verloren h�tte. Jedesmal antwortete das Kind: 'Einen Fingerhut' -- und suchte. Die Leute taten eine Weile mit, wurden aber bald des B�ckens m�de, und einer riet im Fortgehen: 'Geh lieber nach Haus, man kann ja einen neuen kaufen.' Dennoch suchte Mariechen weiter. Die Wiese wurde immer fremder in der D�mmerung, und das Gras begann na� zu werden. Da kam wieder ein Mann. Er beugte sich �ber das Kind: 'Was suchst du?' Jetzt antwortete Mariechen, nicht weit vom Weinen, aber tapfer und trotzig: 'Den lieben Gott.' Der Fremde l�chelte, nahm sie einfach bei der Hand, und sie lie� sich f�hren, als ob jetzt alles gut w�re. Unterwegs sagte der fremde Mann: 'Und sieh mal, was ich heute f�r einen sch�nen Fingerhut gefunden habe.'�--� Die Abendwolken waren schon l�ngst ungeduldig. Jetzt wandte sich der weise Wolkerich, welcher indessen dick geworden war, zu mir: �Verzeihen Sie, d�rfte ich nicht den Namen des Landes -- �ber welchem Sie�--� Aber die anderen Wolken liefen lachend in den Himmel hinein und zogen den Alten mit. EIN M�RCHEN VOM TOD UND EINE FREMDE NACHSCHRIFT DAZU Ich schaute noch immer hinauf in den langsam verl�schenden Abendhimmel, als jemand sagte: �Sie scheinen sich ja f�r das Land da oben sehr zu interessieren?� Mein Blick fiel schnell, wie heruntergeschossen, und ich erkannte: ich war an die niedere Mauer unseres kleinen Kirchhofs geraten, und vor mir, jenseits derselben, stand der Mann mit dem Spaten und l�chelte ernst. �Ich interessiere mich wieder f�r dieses Land hier,� erg�nzte er und wies nach der schwarzen, feuchten Erde, welche an manchen Stellen hervorsah aus den vielen welken Bl�ttern, die sich rauschend r�hrten, w�hrend ich nicht wu�te, da� ein Wind begonnen hatte. Pl�tzlich sagte ich, von heftigem Abscheu erfa�t: �Warum tun Sie das da?� Der Totengr�ber l�chelte immer noch: �Es ern�hrt einen auch -- und dann, ich bitte Sie, tun nicht die meisten Menschen das gleiche? Sie begraben Gott dort, wie ich die Menschen hier.� Er zeigte nach dem Himmel und erkl�rte mir: �Ja, das ist auch ein gro�es Grab, im Sommer stehen wilde Vergi�meinnicht drauf�--� Ich unterbrach ihn: �Es gab eine Zeit, wo die Menschen Gott im Himmel begruben, das ist wahr�--� �Ist das anders geworden?� fragte er seltsam traurig. Ich fuhr fort: �Einmal warf jeder eine Hand Himmel �ber ihn, ich wei�. Aber da war er eigentlich schon nicht mehr dort, oder doch�--� Ich z�gerte. �Wissen Sie,� begann ich dann von neuem, �in alten Zeiten beteten die Menschen so.� Ich breitete die Arme aus und f�hlte unwillk�rlich meine Brust gro� werden dabei. �Damals warf sich Gott in alle diese Abgr�nde voll Demut und Dunkelheit, und nur ungern kehrte er in seine Himmel zur�ck, die er, unvermerkt, immer n�her �ber die Erde zog. Aber ein neuer Glaube begann. Da dieser den Menschen nicht verst�ndlich machen konnte, worin sein neuer Gott sich von jenem alten unterscheide (sobald er ihn n�mlich zu preisen begann, erkannten die Menschen sofort den einen alten Gott auch hier), so ver�nderte der Verk�nder des neuen Gebotes die Art zu beten. Er lehrte das H�ndefalten und entschied: 'Seht, unser Gott will so gebeten sein, also ist er ein anderer als der, den ihr bisher in euren Armen glaubtet zu empfangen.' Die Menschen sahen das ein, und die Geb�rde der offenen Arme wurde eine ver�chtliche und schreckliche, und sp�ter heftete man sie ans Kreuz, um sie allen als ein Symbol der Not und des Todes zu zeigen. Als Gott aber das n�chste Mal wieder auf die Erde niederblickte, erschrak er. Neben den vielen gefalteten H�nden hatte man viele gotische Kirchen gebaut, und so streckten sich ihm die H�nde und die D�cher, gleich steil und scharf, wie feindliche Waffen entgegen. Bei Gott ist eine andere Tapferkeit. Er kehrte in seine Himmel zur�ck, und als er merkte, da� die T�rme und die neuen Gebete hinter ihm her wuchsen, da ging er auf der anderen Seite aus seinen Himmeln hinaus und entzog sich so der Verfolgung. Er war selbst �berrascht, jenseits von seiner strahlenden Heimat ein beginnendes Dunkel zu finden, das ihn schweigend empfing, und er ging mit einem seltsamen Gef�hl immer weiter in dieser D�mmerung, welche ihn an die Herzen der Menschen erinnerte. Da fiel es ihm zuerst ein, da� die K�pfe der Menschen licht, ihre Herzen aber voll eines �hnlichen Dunkels sind, und eine Sehnsucht �berkam ihn, in den Herzen der Menschen zu wohnen und nicht mehr durch das klare, kalte Wachsein ihrer Gedanken zu gehen. Nun, Gott hat seinen Weg fortgesetzt. Immer dichter wird um ihn die Dunkelheit, und die Nacht, durch die er sich dr�ngt, hat etwas von der duftenden W�rme fruchtbarer Schollen. Und nicht lange mehr, so strecken sich ihm die Wurzeln entgegen mit der alten sch�nen Geb�rde des breiten Gebetes. Es gibt nichts Weiseres als den Kreis. Der Gott, der uns in den Himmeln entfloh, aus der Erde wird er uns wiederkommen. Und, wer wei�, vielleicht graben gerade Sie einmal das Tor�...� Der Mann mit dem Spaten sagte: �Aber das ist ein M�rchen.� �In unserer Stimme,� erwiderte ich leise, �wird alles M�rchen, denn es kann sich ja in ihr nie begeben haben.� Der Mann schaute eine Weile vor sich hin. Dann zog er mit heftigen Bewegungen den Rock an und fragte: �Wir k�nnen ja wohl zusammen gehen?� Ich nickte: �Ich gehe nach Hause. Es wird wohl derselbe Weg sein. Aber wohnen Sie nicht hier?� Er trat aus der kleinen Gittert�r, legte sie sanft in ihre klagenden Angeln zur�ck und entgegnete: �Nein.� Nach ein paar Schritten wurde er vertraulicher: �Sie haben ganz recht gehabt vorhin. Es ist seltsam, da� sich niemand findet, der das tun mag, das da drau�en. Ich habe fr�her nie daran gedacht. Aber jetzt, seit ich �lter werde, kommen mir manchmal Gedanken, eigent�mliche Gedanken, wie der mit dem Himmel, und noch andere. Der Tod. Was wei� man davon? Scheinbar alles und vielleicht nichts. Oft stehen die Kinder (ich wei� nicht, wem sie geh�ren) um mich, wenn ich arbeite. Und mir f�llt gerade so etwas ein. Dann grabe ich wie ein Tier, um alle meine Kraft aus dem Kopfe fortzuziehen und sie in den Armen zu verbrauchen. Das Grab wird viel tiefer, als die Vorschrift verlangt, und ein Berg Erde w�chst daneben auf. Die Kinder aber laufen davon, da sie meine wilden Bewegungen sehen. Sie glauben, da� ich irgendwie zornig bin.� Er dachte nach. �Und es ist ja auch eine Art Zorn. Man wird abgestumpft, man glaubt es �berwunden zu haben, und pl�tzlich ... Es hilft nichts, der Tod ist etwas Unbegreifliches, Schreckliches.� Wir gingen eine lange Stra�e unter schon ganz bl�tterlosen Obstb�umen, und der Wald begann, uns zur Linken, wie eine Nacht, die jeden Augenblick auch �ber uns hereinbrechen kann. �Ich will Ihnen eine kleine Geschichte berichten,� versuchte ich, �sie reicht gerade bis an den Ort.� Der Mann nickte und z�ndete sich seine kurze, alte Pfeife an. Ich erz�hlte: �Es waren zwei Menschen, ein Mann und ein Weib, und sie hatten einander lieb. Liebhaben, das hei�t nichts annehmen, von nirgends, alles vergessen und von _einem_ Menschen alles empfangen wollen, das was man schon besa� und alles andere. So w�nschten es die beiden Menschen gegenseitig. Aber in der Zeit, im Tage, unter den vielen, was alles kommt und geht, oft ehe man eine wirkliche Beziehung dazu gewinnt, l��t sich ein solches Liebhaben gar nicht durchf�hren, die Ereignisse kommen von allen Seiten, und der Zufall �ffnet ihnen jede T�r. Deshalb beschlossen die beiden Menschen aus der Zeit in die Einsamkeit zu gehen, weit fort vom Uhrenschlagen und von den Ger�uschen der Stadt. Und dort erbauten sie sich in einem Garten ein Haus. Und das Haus hatte zwei Tore, eines an seiner rechten, eines an seiner linken Seite. Und das rechte Tor war des Mannes Tor, und alles Seine sollte durch dasselbe in das Haus einziehen. Das linke aber war das Tor des Weibes; und was ihres Sinnes war, sollte durch seinen Bogen eintreten. So geschah es. Wer zuerst erwachte am Morgen, stieg hinab und tat sein Tor auf. Und da kam dann bis sp�t in die Nacht gar manches herein, wenn auch das Haus nicht am Rande des Weges lag. Zu denen, die zu empfangen verstehen, kommt die Landschaft ins Haus und das Licht und ein Wind mit einem Duft auf den Schultern und viel anderes mehr. Aber auch Vergangenheiten, Gestalten, Schicksale traten durch die beiden Tore ein, und allen wurde die gleiche, schlichte Gastlichkeit zuteil, so da� sie meinten, seit immer in dem Heidehaus gewohnt zu haben. So ging es eine lange Zeit fort, und die beiden Menschen waren sehr gl�cklich dabei. Das linke Tor war etwas h�ufiger ge�ffnet, aber durch das rechte traten buntere G�ste ein. Vor diesem wartete auch eines Morgens -- der Tod. Der Mann schlug seine T�r eilends zu, als er ihn bemerkte, und hielt sie den ganzen Tag �ber fest verschlossen. Nach einiger Zeit tauchte der Tod vor dem linken Eingang auf. Zitternd warf das Weib das Tor zu und schob den breiten Riegel vor. Sie sprachen nicht miteinander �ber dieses Ereignis, aber sie �ffneten seltener die beiden Tore und suchten mit dem auszukommen, was im Hause war. Da lebten sie nun freilich viel �rmlicher als vorher. Ihre Vorr�te wurden knapp, und es stellten sich Sorgen ein. Sie begannen beide, schlecht zu schlafen, und in einer solchen wachen, langen Nacht vernahmen sie pl�tzlich zugleich ein seltsames, schl�rfendes und pochendes Ger�usch. Es war hinter der Wand des Hauses, gleich weit entfernt von den beiden Toren, und klang, als ob jemand beg�nne, Steine auszubrechen, um ein neues Tor mitten in die Mauer zu bauen. Die beiden Menschen taten in ihrem Schrecken dennoch, als ob sie nichts Besonderes vern�hmen. Sie begannen zu sprechen, lachten unnat�rlich laut, und als sie m�de wurden, war das W�hlen in der Wand verstummt. Seither bleiben die beiden Tore ganz geschlossen. Die Menschen leben wie Gefangene. Beide sind kr�nklich geworden und haben seltsame Einbildungen. Das Ger�usch wiederholt sich von Zeit zu Zeit. Dann lachen sie mit ihren Lippen, w�hrend ihre Herzen fast sterben vor Angst. Und sie wissen beide, da� das Graben immer lauter und deutlicher wird, und m�ssen immer lauter sprechen und lachen mit ihren immer matteren Stimmen.� Ich schwieg. �Ja, ja�--,� sagte der Mann neben mir, �so ist es, das ist eine wahre Geschichte.� �Diese habe ich in einem alten Buche gelesen,� f�gte ich hinzu, �und da ereignete sich etwas sehr Merkw�rdiges dabei. Hinter der Zeile, darin erz�hlt wird, wie der Tod auch vor dem Tore des Weibes erschien, war mit alter, verwelkter Tinte ein kleines Sternchen gezeichnet. Es sah aus den Worten wie aus Wolken hervor, und ich dachte einen Augenblick, wenn die Zeilen sich verz�gen, so k�nnte offenbar werden, da� hinter ihnen lauter Sterne stehen, wie es ja wohl manchmal geschieht, wenn der Fr�hlingshimmel sich sp�t am Abend kl�rt. Dann verga� ich des unbedeutenden Umstandes ganz, bis ich hinten im Einband des Buches dasselbe Sternchen, wie gespiegelt in einem See, in dem glatten Glanzpapier wiederfand, und nah unter demselben begannen zarte Zeilen, die wie Wellen in der blassen spiegelnden Fl�che verliefen. Die Schrift war an vielen Stellen undeutlich geworden, aber es gelang mir doch, sie fast ganz zu entziffern. Da stand etwa: 'Ich habe diese Geschichte so oft gelesen, und zwar in allen m�glichen Tagen, da� ich manchmal glaube, ich habe sie selbst, aus der Erinnerung aufgezeichnet. Aber bei mir geht es im weiteren Verlaufe so zu, wie ich es hier niederschreibe. Das Weib hatte den Tod nie gesehen, arglos lie� sie ihn eintreten. Der Tod aber sagte etwas hastig, und wie einer, welcher kein gutes Gewissen hat: 'Gib das deinem Mann.' Und er f�gte, als das Weib ihn fragend anblickte, eilig hinzu: 'Es ist Samen, sehr guter Samen.' Dann entfernte er sich, ohne zur�ckzusehen. Das Weib �ffnete das S�ckchen, welches er ihr in die Hand gelegt hatte; es fand sich wirklich eine Art Samen darin, harte, h��liche K�rner. Da dachte das Weib: der Same ist etwas Unfertiges, Zuk�nftiges. Man kann nicht wissen, was aus ihm wird. Ich will diese unsch�nen K�rner nicht meinem Manne geben, sie sehen gar nicht aus wie ein Geschenk. Ich will sie lieber in das Beet unseres Gartens dr�cken und warten, was sich aus ihnen erhebt. Dann will ich ihn davor f�hren und ihm erz�hlen, wie ich zu dieser Pflanze kam. Also tat das Weib auch. Dann lebten sie dasselbe Leben weiter. Der Mann, der immer daran denken mu�te, da� der Tod vor seinem Tore gestanden hatte, war anfangs etwas �ngstlich, aber da er das Weib so gastlich und sorglos sah wie immer, tat auch er bald wieder die breiten Fl�gel seines Tores auf, so da� viel Leben und Licht in das Haus hereinkam. Im n�chsten Fr�hjahr stand mitten im Beete zwischen den schlanken Feuerlilien ein kleiner Strauch. Er hatte schmale, schw�rzliche Bl�tter, etwas spitz, �hnlich denen des Lorbeers, und es lag ein sonderbarer Glanz auf ihrer Dunkelheit. Der Mann nahm sich t�glich vor, zu fragen, woher diese Pflanze stamme. Aber er unterlie� es t�glich. In einem verwandten Gef�hl verschwieg auch das Weib von einem Tag zum andern die Aufkl�rung. Aber die unterdr�ckte Frage auf der einen, die nie gewagte Antwort auf der anderen Seite f�hrte die beiden Menschen oft bei diesem Strauch zusammen, der sich in seiner gr�nen Dunkelheit so seltsam von dem Garten unterschied. Als das n�chste Fr�hjahr kam, da besch�ftigten sie sich wie mit den anderen Gew�chsen auch mit dem Strauch, und sie wurden traurig, als er, umringt von lauter steigenden Bl�ten, unver�ndert und stumm, wie im ersten Jahr, gegen alle Sonne taub, sich erhob. Damals beschlossen sie, ohne es einander zu verraten, gerade diesem im dritten Fr�hjahr ihre ganze Kraft zu widmen, und als dieses Fr�hjahr erschien, erf�llten sie leise und Hand in Hand, was sich jeder versprochen hatte. Der Garten umher verwilderte, und die Feuerlilien schienen blasser als sonst zu sein. Aber einmal, als sie nach einer schweren, bedeckten Nacht in den Morgengarten, den stillen, schimmernden traten, da wu�ten sie: aus den schwarzen, scharfen Bl�ttern des fremden Strauches war unversehrt eine blasse, blaue Bl�te gestiegen, welcher die Knospenschalen schon an allen Seiten enge wurden. Und sie standen davor vereint und schweigend, und jetzt wu�ten sie sich erst recht nichts zu sagen. Denn sie dachten: nun bl�ht der Tod, und neigten sich zugleich, um den Duft der jungen Bl�te zu kosten. -- Seit diesem Morgen aber ist alles anders geworden in der Welt.' So stand es in dem Einband des alten Buches,� schlo� ich. �Und wer das geschrieben hat?� dr�ngte der Mann. �Eine Frau nach der Schrift,� antwortete ich. �Aber was h�tte es geholfen, nachzuforschen. Die Buchstaben waren sehr verbla�t und etwas altmodisch. Wahrscheinlich war sie schon l�ngst tot.� Der Mann war ganz in Gedanken. Endlich bekannte er: �Nur eine Geschichte, und doch r�hrt es einen so an.� �Nun, das ist, wenn man selten Geschichten h�rt,� beg�tigte ich. �Meinen Sie?� Er reichte mir seine Hand, und ich hielt sie fest. �Aber ich m�chte sie gerne weitersagen. Das darf man doch?� Ich nickte. Pl�tzlich fiel ihm ein: �Aber ich habe niemanden. Wem sollte ich sie auch erz�hlen?� �Nun, das ist einfach; den Kindern, die Ihnen manchmal zusehen kommen. Wem sonst?� Die Kinder haben auch richtig die letzten drei Geschichten geh�rt. Allerdings, die von den Abendwolken wiederholte, nur teilweise, wenn ich gut unterrichtet bin. Die Kinder sind ja klein und darum von den Abendwolken viel weiter als wir. Doch das ist bei dieser Geschichte ganz gut. Trotz der langen, wohlgesetzten Rede des Hans w�rden sie erkennen, da� die Sache unter Kindern spielt, und meine Erz�hlung kritisch als Sachverst�ndige betrachten. Aber es ist besser, da� sie nicht erfahren, mit welcher Anstrengung und wie ungeschickt wir die Dinge erleben, die ihnen so ganz m�helos und einfach geschehen. EIN VEREIN AUS EINEM DRINGENDEN BED�RFNIS HERAUS Ich erfahre erst, da� unser Ort auch eine Art K�nstlerverein besitzt. Er ist k�rzlich aus einem, wie man sich leicht vorstellen kann, sehr dringenden Bed�rfnis entstanden, und es geht das Ger�cht, da� er �bl�ht�. Wenn Vereine gar nicht wissen, was sie anfangen sollen, dann bl�hen sie; sie haben geh�rt, da� man dies tun mu�, um ein richtiger Verein zu sein. Ich mu� nicht sagen, da� Herr Baum Ehrenmitglied, Gr�nder, Fahnenvater und alles �brige in einer Person ist und M�he hat, die verschiedenen W�rden auseinanderzuhalten. Er sandte mir einen jungen Mann, der mich einladen sollte, an den �Abenden� teilzunehmen. Ich dankte ihm, wie es sich von selbst versteht, sehr h�flich und f�gte hinzu, da� meine ganze T�tigkeit seit etwa f�nf Jahren im Gegenteil bestehe. �Es vergeht, stellen Sie sich vor,� erkl�rte ich ihm mit dem entsprechenden Ernst, �seit dieser Zeit keine Minute, in welcher ich nicht aus irgendeinem Verbande austrete, und doch gibt es noch immer Gesellschaften, welche mich sozusagen enthalten.� Der junge Mann schaute erst erschreckt, dann mit dem Ausdruck respektvollen Bedauerns auf meine F��e. Er mu�te ihnen das �Austreten� ansehen, denn er nickte verst�ndig mit dem Kopfe. Das gefiel mir gut, und da ich gerade fortgehen mu�te, schlug ich ihm vor, mich ein St�ckchen zu begleiten. So gingen wir durch den Ort und dar�ber hinaus, dem Bahnhof zu, denn ich hatte in der Umgebung zu tun. Wir sprachen �ber mancherlei Dinge; ich erfuhr, da� der junge Mann Musiker sei. Er hatte es mir bescheiden mitgeteilt, ansehen konnte man es ihm nicht. Au�er seinen zahlreichen Haaren zeichnete ihn eine gro�e, gleichsam springende Bereitwilligkeit aus. Auf diesem nicht allzu langen Weg hob er mir zwei Handschuhe auf, hielt mir den Schirm, als ich etwas in meinen Taschen suchte, machte mich err�tend darauf aufmerksam, da� mir etwas im Barte hinge, da� mir Ru� auf der Nase s��e, und dabei wurden ihm die mageren Finger lang, als sehnten sie sich danach, sich meinem Gesichte auf diese Weise hilfreich zu n�hern. In seinem Eifer blieb der junge Mensch sogar bisweilen zur�ck und holte mit sichtlichem Vergn�gen die welken Bl�tter, die im Herabflattern h�ngen geblieben waren, aus den �sten der Str�ucher. Ich sah ein, da� ich durch diese best�ndigen Verz�gerungen den Zug vers�umen w�rde (der Bahnhof war noch ziemlich weit), und entschlo� mich, meinem Begleiter eine Geschichte zu erz�hlen, um ihn ein wenig an meiner Seite zu halten. Ich begann ohne weiteres: �Mir ist der Verlauf einer derartigen Gr�ndung bekannt, welche auf wirklicher Notwendigkeit beruhte. Sie werden sehen. Es ist nicht sehr lange her, da fanden sich drei Maler durch Zufall in einer alten Stadt zusammen. Die drei Maler sprachen nat�rlich nicht von Kunst. Es schien wenigstens so. Sie verbrachten den Abend in der Hinterstube eines alten Gasthauses damit, sich Reiseabenteuer und Erlebnisse verschiedener Art mitzuteilen, ihre Geschichten wurden immer k�rzer und w�rtlicher, und endlich blieben noch ein paar Witze �brig, mit denen sie best�ndig hin und her warfen. Um jedem Mi�verst�ndnis vorzubeugen, mu� ich �brigens gleich sagen, da� es wirkliche K�nstler waren, gewisserma�en von der Natur beabsichtigte, keine zuf�lligen. Dieser �de Abend in der Hinterstube kann nichts daran �ndern; man wird ja auch gleich erfahren, wie er weiter verlief. Es traten andere Leute, profane, in dieses Gasthaus ein, die Maler f�hlten sich gest�rt und brachen auf. Mit dem Augenblick, da sie aus dem Tor traten, waren sie andere Leute. Sie gingen in der Mitte der Gasse, einer vom anderen etwas getrennt. Auf ihren Gesichtern waren noch die Spuren des Lachens, diese merkw�rdige Unordnung der Z�ge, aber die Augen waren bei allen schon ernst und betrachtend. Pl�tzlich stie� der in der Mitte den Rechten an. Der verstand ihn sofort. Da war vor ihnen eine Gasse, schmal, von feiner, warmer D�mmerung erf�llt. Sie stieg etwas an, so da� sie perspektivisch sehr zur Geltung kam, und hatte etwas ungemein Geheimnisvolles und doch wieder Vertrautes. Die drei Maler lie�en das einen Augenblick auf sich wirken. Sie sprachen nichts, denn sie wu�ten: sagen kann man das nicht. Sie waren ja deshalb Maler geworden, weil es manches gibt, was man nicht sagen kann. Pl�tzlich erhob sich der Mond irgendwo, zeichnete den einen Giebel silbern nach, und es stieg ein Lied aus einem Hofe auf. 'Grobe Effekthascherei�--' brummte der Mittlere, und sie gingen weiter. Sie schritten jetzt etwas n�her nebeneinander hin, obwohl sie immer noch die ganze Breite der Gasse brauchten. So gerieten sie unversehens auf einen Platz. Jetzt war es der rechts, welcher die anderen aufmerksam machte. In dieser breiteren, freieren Szene hatte der Mond nichts St�rendes, im Gegenteil, es war geradezu notwendig, da� er vorhanden war. Er lie� den Platz gr��er erscheinen, gab den H�usern ein �berraschendes, lauschendes Leben, und die beleuchtete Fl�che des Pflasters wurde mitten r�cksichtslos von einem Brunnen und seinem schweren Schlagschatten unterbrochen, eine K�hnheit, welche den Malern ausnehmend imponierte. Sie stellten sich nahe zusammen und saugten sozusagen an den Br�sten dieser Stimmung. Aber sie wurden unangenehm unterbrochen. Eilige, leichte Schritte n�herten sich, aus dem Dunkel des Brunnens l�ste sich eine m�nnliche Gestalt, empfing jene Schritte, und was sonst zu ihnen geh�rte, mit der �blichen Z�rtlichkeit, und der sch�ne Platz war auf einmal eine erb�rmliche Illustration geworden, von welcher sich die drei Maler wie _ein_ Maler abwandten. 'Da ist schon wieder dieses verdammte novellistische Element,' schrie der rechts, indem er das Liebespaar am Brunnen mit diesem korrekt technischen Ausdruck begriff. Vereint in ihrem Groll, wanderten die Maler noch lange planlos in der Stadt herum, immerfort Motive entdeckend, aber auch jedesmal aufs neue emp�rt durch die Art, mit welcher irgendein banaler Umstand die Stille und Einfachheit jedes Bildes zunichte machte. Gegen Mitternacht sa�en sie im Gasthof in der Wohnstube des Linken, des J�ngsten, beisammen und dachten nicht ans Schlafengehen. Die n�chtliche Wanderung hatte eine Menge Pl�ne und Entw�rfe in ihnen wachgerufen, und da sie zugleich bewiesen hatte, da� sie eines Geistes seien im Grunde, tauschten sie jetzt, im h�chsten Ma�e interessiert, ihre gegenseitigen Ansichten aus. Man kann nicht behaupten, da� sie tadellose S�tze hervorbrachten, sie schlugen mit ein paar Worten herum, die kein profaner Mensch begriffen h�tte, aber untereinander verst�ndigten sie sich dadurch so gut, da� s�mtliche Zimmernachbarn bis gegen vier Uhr morgens nicht einschlafen konnten. Das lange Beisammensitzen hatte aber einen wirklichen, sichtbaren Erfolg. Etwas wie ein Verein wurde gebildet; das hei�t, er war eigentlich schon da im Augenblick, als die Absichten und Ziele der drei K�nstler sich so verwandt erwiesen, da� man sie nur schwer voneinander trennen konnte. Der erste gemeinsame Beschlu� des �Vereins� erf�llte sich sofort. Man zog drei Stunden weit ins Land und mietete gemeinsam einen Bauernhof. In der Stadt zu bleiben, h�tte zun�chst keinen Sinn gehabt. Erst wollte man sich drau�en den �Stil� erwerben, die gewisse pers�nliche Sicherheit, den Blick, die Hand und wie alle die Dinge hei�en, ohne welche ein Maler zwar leben, aber nicht malen kann. -- Zu allen diesen Tugenden sollte das Zusammenhalten helfen, der �Verein� eben, -- besonders aber das Ehrenmitglied dieses Vereins: die Natur. Unter �Natur� stellen sich die Maler alles vor, was der liebe Gott selbst gemacht hat oder doch gemacht haben k�nnte, unter Umst�nden. Ein Zaun, ein Haus, ein Brunnen -- alle diese Dinge sind ja meistens menschlichen Ursprungs. Aber wenn sie eine Zeitlang in der Landschaft stehen, so da� sie gewisse Eigenschaften von den B�umen und B�schen und von ihrer anderen Umgebung angenommen haben, so gehen sie gleichsam in den Besitz Gottes �ber und damit auch in das Eigentum des Malers. Denn Gott und der K�nstler haben dasselbe Verm�gen und dieselbe Armut je nachdem. -- Nun, an der Natur, welche um den gemeinsamen Bauernhof sich erstreckte, glaubte Gott gewi� keinen besonderen Reichtum zu besitzen. Es dauerte indessen nicht lang, so belehrten ihn die Maler eines Besseren. Die Gegend war flach, das lie� sich nicht leugnen. Aber durch die Tiefe ihrer Schatten und die H�he ihrer Lichter waren Abgr�nde und Gipfel vorhanden, zwischen denen eine Unzahl von Mittelt�nen jenen Regionen weiter Wiesen und fruchtbarer Felder entsprach, die den materiellen Wert einer gebirgigen Gegend ausmachen. Es waren nur wenig B�ume vorhanden und fast alle von derselben Art, botanisch betrachtet. Durch die Gef�hle indessen, welche sie ausdr�ckten, durch die Sehnsucht irgendeines Astes oder die sanfte Ehrfurcht des Stammes erschienen sie als eine gro�e Anzahl individueller Wesen, und manche Weide war eine Pers�nlichkeit, die den Malern durch die Vielseitigkeit und Tiefe ihres Charakters �berraschung um �berraschung bereitete. Die Begeisterung war so gro�, man f�hlte sich so sehr eins in dieser Arbeit, da� es nichts bedeuten will, da� jeder der drei Maler nach Verlauf eines halben Jahres ein eigenes Haus bezog; das hatte gewi� rein r�umliche Gr�nde. Aber etwas anderes wird man hier doch erw�hnen m�ssen. Die Maler wollten irgendwie das einj�hrige Bestehen ihres Vereines, aus dem in so kurzer Zeit so viel Gutes gekommen war, feiern, und jeder entschlo� sich, zu diesem Zweck heimlich die H�user der anderen zu malen. An dem bestimmten Tage kamen sie, jeder mit seinen Bildern, zusammen. Es traf sich, da� sie gerade von ihren jeweiligen Wohnungen, deren Lage, Zweckm��igkeit usw. sich unterhielten. Sie ereiferten sich ziemlich stark, und es geschah, da� w�hrend des Gespr�chs jeder seiner mitgebrachten �lskizzen verga� und sp�t nachts mit dem uner�ffneten Paket zu Hause ankam. Wie das geschehen konnte, ist schwer begreiflich. Aber sie zeigten sich auch in der n�chsten Zeit ihre Bilder nicht, und wenn der eine den andern besuchte (was infolge vieler Arbeit immer seltener geschah), fand er auf der Staffelei des Freundes Skizzen aus jener ersten Zeit, da sie noch gemeinsam denselben Bauernhof bewohnten. Aber einmal entdeckte der Rechte (er wohnte jetzt auch zur Rechten, kann also weiter so hei�en) bei dem, welchen ich den J�ngsten genannt habe, eines jener genannten, nicht verratenen Jubil�umsbilder. Er betrachtete es eine Weile nachdenklich, trat damit ans Licht und lachte pl�tzlich: 'Schau, das hab ich gar nicht gewu�t, nicht ohne Gl�ck hast du da mein Haus aufgefa�t. Eine wahrhaft geistreiche Karikatur. Mit diesen �bertreibungen in Form und Farbe, mit dieser k�hnen Ausgestaltung meines allerdings etwas betonten Giebels, wirklich, es liegt etwas darin.' Der J�ngste machte keines seiner vorteilhaftesten Gesichter, im Gegenteil; er ging zum Mittleren in seiner Best�rzung, um sich von ihm, dem Besonnensten, beruhigen zu lassen, denn er war nach Vorf�llen solcher Art gleich kleinm�tig und geneigt, an seiner Begabung zu zweifeln. Er traf den Mittleren nicht zu Haus und st�berte ein wenig im Atelier umher, wobei ihm gleich ein Bild in die Augen fiel, das ihn merkw�rdig abstie�. Es war ein Haus, aber ein richtiger Narr mu�te darin wohnen. Diese Fassade! Das konnte nur irgendeiner gebaut haben, der von Architektur keine Idee hatte und der seine armseligen, malerischen Ideen anwandte auf ein Geb�ude. Pl�tzlich stellte der J�ngste das Bild fort, als ob es ihm die Finger verbrannt h�tte. An dem linken Rande desselben hatte er das Datum jenes ersten Jubil�ums gelesen und daneben: �Das Haus unseres J�ngsten.� Er wartete nat�rlich den Hausherrn nicht ab, sondern kehrte etwas verstimmt nach Hause zur�ck. Der J�ngste und der rechts waren seither vorsichtig geworden. Sie suchten sich entfernte Motive und dachten selbstverst�ndlich nicht daran, f�r das Fest des zweij�hrigen Bestehens ihres so f�rderlichen Vereins etwas vorzubereiten. Um so eifriger arbeitete der ahnungslose Mittlere daran, ein Motiv, das der Wohnung des Rechten zun�chst lag, zu malen. Etwas Unbestimmtes hielt ihn davon ab, dessen Haus selbst zum Vorwand seiner Arbeit zu w�hlen. -- Als er dem Rechtswohnenden das fertige Bild �berbrachte, verhielt sich dieser merkw�rdig zur�ckhaltend, schaute es nur fl�chtig an und bemerkte etwas Beil�ufiges. Dann, nach einer Weile sagte er: 'Ich habe �brigens gar nicht gewu�t, da� du so weit verreist warst in der letzten Zeit.' 'Wieso, weit? Verreist?' Der Mittlere begriff nicht ein Wort. 'Nun -- diese t�chtige Arbeit da,' erwiderte der andere, 'offenbar doch irgendein holl�ndisches Motiv�--' Der besonnene Mittlere lachte laut auf. 'K�stlich, dieses holl�ndische Motiv befindet sich vor deiner T�re.' Und er wollte sich gar nicht beruhigen. Aber der Vereinsgenosse lachte nicht, gar nicht. Er qu�lte sich ein L�cheln ab und meinte: 'Ein guter Witz.' 'Aber ganz und gar nicht, mach mal die T�r auf, ich will dir gleich zeigen�--' und der Mittlere ging selbst auf die T�re zu. 'Halt,' befahl der Hausherr, 'und ich erkl�re dir somit, da� ich diese Gegend nie gesehen habe und auch nie sehen werde, weil sie f�r mein Auge �berhaupt nicht existenzf�hig ist.' 'Aber,' machte der mittlere Maler erstaunt. 'Du bleibst dabei?' fuhr der Rechte gereizt fort, 'gut, ich reise heute noch ab. Du zwingst mich fortzugehen, denn ich w�nsche nicht, in dieser Gegend zu leben. Verstanden?' -- Damit war die Freundschaft zu Ende, aber nicht der Verein; denn er ist bis heute nicht statutengem�� aufgel�st worden. Niemand hat daran gedacht, und man kann von ihm mit vollstem Rechte sagen, da� er sich �ber die ganze Erde verbreitet hat.� �Man sieht,� unterbrach mich der bereitwillige junge Mann, der schon best�ndig die Lippen spitzte, �wieder einer jener kolossalen Erfolge des Vereinslebens; gewi� sind viele hervorragende Meister aus dieser innigen Verbindung hervorgegangen�--.� �Erlauben Sie,� bat ich, und er st�ubte mir unversehens den �rmel ab, �das war eigentlich erst die Einleitung zu meiner Geschichte, obwohl sie komplizierter ist als die Geschichte selbst. Also, ich sagte, da� der Verein sich �ber die ganze Erde verbreitet hatte, und dieses ist Tatsache. Seine drei Mitglieder flohen in wahrem Entsetzen voneinander. Nirgends war ihnen Ruhe gew�hrt. Immer f�rchtete jeder, der andere k�nnte noch ein St�ck seines Landes erkennen und durch seine ruchlose Darstellung entweihen, und als sie schon an drei entgegengesetzten Punkten der irdischen Peripherie angelangt waren, kam jedem der trostlose Einfall, da� sein Himmel, der Himmel, den er m�hsam durch seine wachsende Eigenart erworben hatte, den anderen noch erreichbar sei. In diesem ersch�tternden Augenblick begannen sie, alle drei zugleich, mit ihren Staffeleien nach r�ckw�rts zu gehen, und noch f�nf Schritte, und sie w�ren vom Rande der Erde in die Unendlichkeit gefallen und m��ten jetzt in rasender Geschwindigkeit die doppelte Bewegung um diese und um die Sonne vollf�hren. Aber Gottes Teilnahme und Aufmerksamkeit verh�tete dieses grausame Schicksal. Gott erkannte die Gefahr und trat im letzten Moment (was h�tte er auch sonst tun sollen?) heraus, in die Mitte des Himmels. Die drei Maler erschraken. Sie stellten die Staffelei fest und setzten die Palette auf. Diese Gelegenheit durften sie sich nicht entgehen lassen. Der liebe Gott erscheint nicht alle Tage und auch nicht jedem. Und jeder der Maler meinte nat�rlich, Gott st�nde nur vor ihm. Im �brigen vertieften sie sich immer mehr in die interessante Arbeit. Und jedesmal, wenn Gott wieder zur�ck in den Himmel will, bittet der heilige Lukas ihn, noch eine Weile drau�en zu bleiben, bis die drei Maler mit ihren Bildern fertig sind.� �Und die Herren haben diese Bilder ohne Zweifel schon ausgestellt, vielleicht gar verkauft?� fragte der Musiker in den sanftesten T�nen. �Wo denken Sie hin,� wehrte ich ab. �Sie malen immer noch an Gott und werden ihn wohl bis an ihr eigenes Ende malen. Sollten sie aber (was ich f�r ausgeschlossen halte) noch einmal im Leben zusammenkommen und sich die Bilder, die sie von Gott inzwischen gemalt haben, zeigen, wer wei�: vielleicht w�rden diese Bilder sich kaum voneinander unterscheiden.� Da war auch schon der Bahnhof. Ich hatte noch f�nf Minuten Zeit. Ich dankte dem jungen Mann f�r seine Begleitung und w�nschte ihm alles Gl�ck f�r den jungen Verein, den er so ausgezeichnet vertrat. Er tippte mit dem rechten Zeigefinger den Staub auf, der die Fensterbretter des kleinen Wartesaals zu bedr�cken schien, und war sehr in Gedanken. Ich mu� gestehen, ich schmeichelte mir schon, meine kleine Geschichte h�tte ihn so nachdenklich gestimmt. Als er mir zum Abschied einen roten Faden aus dem Handschuh zog, riet ich ihm aus Dankbarkeit: �Sie k�nnen zur�ck ja �ber die Felder gehen, dieser Weg ist bedeutend n�her als die Stra�e.� �Verzeihen Sie,� verneigte sich der bereitwillige junge Mann, �ich werde doch wieder die Stra�e nehmen. Ich suche mich eben zu besinnen, wo das war. W�hrend Sie die G�te hatten, mir einiges wirklich Bedeutende zu erz�hlen, glaubte ich eine Vogelscheuche im Acker zu bemerken, in einem alten Rock, und der eine -- mir scheint der linke �rmel war h�ngen geblieben an einem Pfahl, so da� er durchaus nicht wehte. Ich f�hle nun gewisserma�en die Verpflichtung, meinen kleinen Tribut an den gemeinsamen Interessen der Menschheit, die mir auch als eine Art Verein erscheint, in welchem jeder etwas zu leisten hat, dadurch zu entrichten, da� ich diesen linken �rmel seinem eigentlichen Sinne, n�mlich: zu wehen, zur�ckgebe�...� Der junge Mann entfernte sich mit dem liebensw�rdigsten L�cheln. Ich aber h�tte beinah meinen Zug vers�umt. Bruchst�cke dieser Geschichte wurden von dem jungen Manne an einem �Abende� des Vereines gesungen. Wei� Gott, wer ihm die Musik dazu erfunden hat. Herr Baum, der Fahnenvater, hat sie den Kindern mitgebracht, und die Kinder haben sich einige Melodien daraus gemerkt. DER BETTLER UND DAS STOLZE FR�ULEIN Es traf sich, da� wir -- der Herr Lehrer und ich -- Zeugen wurden folgender kleinen Begebenheit. Bei uns, am Waldrand, steht bisweilen ein alter Bettler. Auch heute war er wieder da, �rmer, elender als je, durch ein mitleidiges Mimikry fast ununterscheidbar von den Latten des morschen Bretterzauns, an denen er lehnte. Aber da begab es sich, da� ein ganz kleines M�dchen auf ihn zugelaufen kam, um ihm eine kleine M�nze zu schenken. Das war weiter nicht verwunderlich, �berraschend war nur, wie sie das tat. Sie machte einen sch�nen braven Knicks, reichte dem Alten rasch, als ob es niemand merken sollte, ihre Gabe, knickste wieder und war schon davon. Diese beiden Knickse aber waren mindestens eines Kaisers wert. Das �rgerte den Herrn Lehrer ganz besonders. Er wollte rasch auf den Bettler zugehen, wahrscheinlich, um ihn von seiner Zaunlatte zu verjagen; denn wie man wei�, war er im Vorstand des Armenvereins und gegen den Stra�enbettel eingenommen. Ich hielt ihn zur�ck. �Die Leute werden von uns unterst�tzt, ja man kann wohl sagen, versorgt,� eiferte er. �Wenn sie auf der Stra�e auch noch betteln, so ist das einfach -- �bermut.� �Verehrter Herr Lehrer� -- suchte ich ihn zu beruhigen, aber er zog mich immer noch nach dem Waldrand hin. �Verehrter Herr Lehrer�--,� bat ich, �ich mu� Ihnen eine Geschichte erz�hlen.� �So dringend?� fragte er giftig. Ich nahm es ernst: �Ja, eben jetzt. Ehe Sie vergessen, was wir da gerade zuf�llig beobachtet haben.� Der Lehrer mi�traute mir seit meiner letzten Geschichte. Ich las das von seinem Gesichte und beg�tigte: �Nicht vom lieben Gott, wirklich nicht. Der liebe Gott kommt in meiner Geschichte nicht vor. Es ist etwas Historisches.� Damit hatte ich gewonnen. Man mu� nur das Wort �Historie� sagen, und schon gehen jedem Lehrer die Ohren auf; denn die Historie ist etwas durchaus Achtbares, Unverf�ngliches und oft p�dagogisch Verwendbares. Ich sah, da� der Herr Lehrer wieder seine Brille putzte, ein Zeichen, da� seine Sehkraft sich in die Ohren geschlagen hatte, und diesen g�nstigen Moment wu�te ich geschickt zu benutzen. Ich begann: �Es war in Florenz, Lorenzo de' Medici, jung, noch nicht Herrscher, hatte gerade sein Gedicht 'Trionfo di Bacco ed Arianna' ersonnen, und schon wurden alle G�rten davon laut. Damals gab es lebende Lieder. Aus dem Dunkel des Dichters stiegen sie in die Stimmen und trieben auf ihnen, wie auf silbernen K�hnen, furchtlos, ins Unbekannte. Der Dichter begann ein Lied, und alle, die es sangen, vollendeten es. Im 'Trionfo' wird, wie in den meisten Liedern jener Zeit, das Leben gefeiert, diese Geige mit den lichten, singenden Saiten und ihrem dunklen Hintergrund: dem Rauschen des Blutes. Die ungleich langen Strophen steigen in eine taumelnde Lustigkeit hinauf, aber dort, wo diese atemlos wird, setzt jedesmal ein kurzer, einfacher Kehrreim an, der sich von der schwindelnden H�he niederneigt und, vor dem Abgrund bang, die Augen zu schlie�en scheint. Er lautet: Wie sch�n ist die Jugend, die uns erfreut, Doch wer will sie halten? Sie flieht und bereut, Und wenn einer fr�hlich sein will, der sei's heut, Und f�r morgen ist keine Gewi�heit. Ist es wunderlich, da� �ber die Menschen, welche dieses Gedicht sangen, eine Hast hereinbrach, ein Bestreben, alle Festlichkeit auf dieses Heute zu t�rmen, auf den einzigen Fels, auf dem zu bauen sich verlohnt? Und so kann man sich das Gedr�nge der Gestalten auf den Bildern der florentiner Maler erkl�ren, die sich bem�hten, alle ihre F�rsten und Frauen und Freunde in einem Gem�lde zu vereinen, denn man malte langsam, und wer konnte wissen, ob zur Zeit des n�chsten Bildes alle noch so jung und bunt und einig sein w�rden. Am deutlichsten sprach dieser Geist der Ungeduld sich begreiflicherma�en bei den J�nglingen aus. Die gl�nzendsten von ihnen sa�en nach einem Gastmahle auf der Terrasse des Palazzo Strozzi beisammen und plauderten von den Spielen, die demn�chst vor der Kirche Santa Croce stattfinden sollten. Etwas abseits in einer Loggia stand Palla degli Albizzi mit seinem Freunde Tomaso, dem Maler. Sie schienen etwas in wachsender Erregung zu verhandeln, bis Tomaso pl�tzlich rief: 'Das tust du nicht, ich wette, das tust du nicht!' Nun wurden die anderen aufmerksam. 'Was habt ihr?' erkundigte sich Gaetano Strozzi und kam mit einigen Freunden n�her. Tomaso erkl�rte: 'Palla will auf dem Feste vor Beatrice Altichieri, dieser Hochm�tigen, niederknien und sie bitten, sie m�chte ihm gestatten, den staubigen Saum ihres Kleides zu k�ssen.' Alle lachten, und Lionardo, aus dem Hause Ricardi, bemerkte: 'Palla wird sich das �berlegen; er wei� wohl, da� die sch�nsten Frauen ein L�cheln f�r ihn haben, das man sonst niemals bei ihnen sieht.' Und ein anderer f�gte hinzu: 'Und Beatrice ist noch so jung. Ihre Lippen sind noch zu kinderhaft hart, um zu l�cheln. Darum scheint sie so stolz.' 'Nein�--,' erwiderte Palla degli Albizzi mit �berm��iger Heftigkeit, 'sie ist stolz, daran ist nicht ihre Jugend schuld. Sie ist stolz wie ein Stein in den H�nden Michelangelos, stolz wie eine Blume an einem Madonnenbild, stolz wie ein Sonnenstrahl, der �ber Diamanten geht�--' Gaetano Strozzi unterbrach ihn etwas streng: 'Und du, Palla, bist nicht auch du stolz? Was du da sagst, das kommt mir vor, als wolltest du dich unter die Bettler stellen, die um die Vesper im Hofe der Sma Annunziata warten, bis Beatrice Altichieri ihnen mit abgewendetem Gesicht einen Soldo schenkt.' 'Ich will auch dieses tun!' rief Palla mit gl�nzenden Augen, dr�ngte sich durch die Freunde nach der Treppe durch und verschwand. Tomaso wollte ihm nach. 'La�,' hielt Strozzi ihn ab, 'er mu� jetzt allein sein, da wird er am ehesten vern�nftig werden.' Dann zerstreuten sich die jungen Leute in die G�rten. Im Vorhofe der Santissima Annunziata warteten auch an diesem Abend etwa zwanzig Bettler und Bettlerinnen auf die Vesper. Beatrice, welche sie alle dem Namen nach kannte und bisweilen auch in ihre armen H�user an der Porta San Niccol� zu den Kindern und zu den Kranken kam, pflegte jeden von ihnen im Vor�bergehen mit einem kleinen Silberst�ck zu beschenken. Heute schien sie sich etwas zu versp�ten; die Glocken hatten schon gerufen, und nur F�den ihres Klanges hingen noch an den T�rmen �ber der D�mmerung. Es entstand eine Unruhe unter den Armen, auch weil ein neuer unbekannter Bettler sich in das Dunkel des Kirchentors geschlichen hatte, und eben wollten sie sich seiner erwehren in ihrem Neid, als ein junges M�dchen in schwarzem, fast nonnenhaftem Kleide im Vorhofe erschien und, durch ihre G�te gehemmt, von einem zum anderen ging, w�hrend eine der begleitenden Frauen den Beutel offen hielt, aus welchem sie ihre kleinen Gaben holte. Die Bettler st�rzten in die Knie, schluchzten und suchten ihre welken Finger eine Sekunde lang an die Schleppe des schlichten Kleides ihrer Wohlt�terin zu legen, oder sie k��ten auch den letzten Saum mit ihren nassen, stammelnden Lippen. Die Reihe war zu Ende; es hatte auch keiner von den Beatrice wohlbekannten Armen gefehlt. Aber da gewahrte sie unter dem Schatten des Tores noch eine fremde Gestalt in Lumpen und erschrak. Sie geriet in Verwirrung. Alle ihre Armen hatte sie schon als Kind gekannt, und sie zu beschenken, war ihr etwas Selbstverst�ndliches geworden, eine Handlung wie etwa die, da� man die Finger in die Marmorschalen voll heiligen Wassers h�lt, die an den T�ren jeder Kirche stehen. Aber es war ihr nie eingefallen, da� es auch fremde Bettler geben k�nnte; wie sollte man das Recht haben, auch diese zu beschenken, da man sich das Vertrauen ihrer Armut nicht verdient hatte durch irgendein Wissen darum? W�re es nicht eine unerh�rte �berhebung gewesen, einem Unbekannten ein Almosen zu reichen? Und im Widerstreit dieser dunkeln Gef�hle ging das M�dchen, als ob es ihn nicht bemerkt h�tte, an dem neuen Bettler vorbei und trat rasch in die k�hle, hohe Kirche ein. Aber als drinnen die Andacht begann, konnte sie sich keines Gebetes erinnern. Eine Angst �berkam sie, da� der arme Mann nach der Vesper nicht mehr am Tore zu finden sein w�rde und da� sie nichts getan hatte, seine Not zu lindern, w�hrend die Nacht so nahe war, darin alle Armut hilfloser und trauriger ist als am Tag. Sie machte derjenigen von ihren Frauen, die den Beutel trug, ein Zeichen und zog sich mit ihr nach dem Eingang zur�ck. Dort war es indessen leer geworden; aber der Fremde stand immer noch, an eine S�ule gelehnt, da und schien dem Gesang zu lauschen, der seltsam fern, wie aus Himmeln, aus der Kirche kam. Sein Gesicht war fast ganz verh�llt, wie es manchmal bei Auss�tzigen der Fall ist, die ihre h��lichen Wunden erst entbl��en, wenn man nahe vor ihnen steht und sie sicher sind, da� Mitleid und Ekel in gleichem Ma�e zu ihren Gunsten reden. Beatrice z�gerte. Sie hatte den kleinen Beutel selbst in H�nden und f�hlte nur wenige geringe M�nzen darin. Aber mit einem raschen Entschlu� trat sie auf den Bettler zu und sagte mit unsicherer, etwas singender Stimme und ohne die fl�chtenden Blicke von den eigenen H�nden zu heben: 'Nicht um Euch zu kr�nken, Herr ... mir ist, erkenn ich Euch recht, ich bin in Eurer Schuld. Euer Vater, ich glaube, hat in unserem Haus das reiche Gel�nder gemacht, aus getriebenem Eisen, wi�t Ihr, welches die Treppe uns ziert. Sp�ter einmal -- fand sich in der Kammer, -- darin er manchmal bei uns zu arbeiten pflegte, -- ein Beutel -- ich denke, er hat ihn verloren -- gewiߠ--.' Aber die hilflose L�ge ihrer Lippen dr�ckte das M�dchen vor dem Fremden in die Kniee. Sie zwang den Beutel aus Brokat in seine vom Mantel verh�llten H�nde und stammelte: 'Verzeiht�--.' Sie f�hlte noch, da� der Bettler zitterte. Dann fl�chtete Beatrice mit der erschrockenen Begleiterin zur�ck in die Kirche. Aus dem eine Weile ge�ffneten Tor brach ein kurzer Jubel von Stimmen. -- Die Geschichte ist zu Ende. Messer Palla degli Albizzi blieb in seinen Lumpen. Er verschenkte seine ganze Habe und ging barfu� und arm ins Land. Sp�ter soll er in der N�he von Subiaco gewohnt haben.� �Zeiten, Zeiten,� sagte der Herr Lehrer. �Was hilft das alles; er war auf dem Wege, ein W�stling zu werden, und wurde durch diese Begebenheit ein Landstreicher, ein Sonderling. Heute wei� gewi� kein Mensch mehr von ihm.� �Doch,� -- erwiderte ich bescheiden, -- �sein Name wird bisweilen bei den gro�en Litaneien in den katholischen Kirchen unter den F�rbittern genannt; denn er ist ein Heiliger geworden.� Die Kinder haben auch diese Geschichte vernommen, und sie behaupten, zum �rger des Herrn Lehrer, auch in ihr k�me der liebe Gott vor. Ich bin auch ein wenig erstaunt dar�ber; denn ich habe dem Herrn Lehrer doch versprochen, ihm eine Geschichte ohne den lieben Gott zu erz�hlen. Aber, freilich: die Kinder m�ssen es wissen! EINE GESCHICHTE, DEM DUNKEL ERZ�HLT Ich wollte den Mantel umnehmen und zu meinem Freunde Ewald gehen. Aber ich hatte mich �ber einem Buche vers�umt, einem alten Buche �brigens, und es war Abend geworden, wie es in Ru�land Fr�hling wird. Noch vor einem Augenblick war die Stube bis in die fernsten Ecken klar, und nun taten alle Dinge, als ob sie nie etwas anderes gekannt h�tten als D�mmerung; �berall gingen gro�e dunkle Blumen auf, und wie auf Libellenfl�geln glitt Glanz um ihre samtenen Kelche. Der Lahme war gewi� nicht mehr am Fenster. Ich blieb also zu Haus. Was hatte ich ihm doch erz�hlen wollen? Ich wu�te es nicht mehr. Aber eine Weile sp�ter f�hlte ich, da� jemand diese verlorene Geschichte von mir verlangte, irgendein einsamer Mensch vielleicht, der fern am Fenster seiner finstern Stube stand, oder vielleicht dieses Dunkel selbst, das mich und ihn und die Dinge umgab. So geschah es, da� ich dem Dunkel erz�hlte. Und es neigte sich immer n�her zu mir, so da� ich immer leiser sprechen konnte, ganz, wie es zu meiner Geschichte pa�t. Sie handelt �brigens in der Gegenwart und beginnt. Nach langer Abwesenheit kehrte Doktor Georg La�mann in seine enge Heimat zur�ck. Er hatte nie viel dort besessen, und jetzt lebten ihm nur mehr zwei Schwestern in der Vaterstadt, beide verheiratet, wie es schien, gut verheiratet; diese nach zw�lf Jahren wiederzusehen, war der Grund seines Besuchs. So glaubte er selbst. Aber nachts, w�hrend er im �berf�llten Zuge nicht schlafen konnte, wurde ihm klar, da� er eigentlich um seiner Kindheit willen kam, und hoffte, in den alten Gassen irgend etwas wieder zu finden: ein Tor, einen Turm, einen Brunnen, irgendeinen Anla� zu einer Freude oder zu einer Traurigkeit, an welcher er sich wieder erkennen konnte. Man verliert sich ja so im Leben. Und da fiel ihm verschiedenes ein: die kleine Wohnung in der Heinrichsgasse mit den gl�nzenden T�rklinken und den dunkelgestrichenen Dielen, die geschonten M�bel und seine Eltern, diese beiden abgen�tzten Menschen, fast ehrf�rchtig neben ihnen; die schnellen gehetzten Wochentage und die Sonntage, die wie ausger�umte S�le waren, die seltenen Besuche, die man lachend und in Verlegenheit empfing, das verstimmte Klavier, der alte Kanarienvogel, der ererbte Lehnstuhl, auf dem man nicht sitzen durfte, ein Namenstag, ein Onkel, der aus Hamburg kommt, ein Puppentheater, ein Leierkasten, eine Kindergesellschaft, und jemand ruft: 'Klara'. Der Doktor w�re fast eingeschlafen. Man steht in einer Station, Lichter laufen vor�ber, und der Hammer geht horchend durch die klingenden R�der. Und das ist wie: Klara, Klara. Klara, �berlegt der Doktor, jetzt ganz wach, wer war das doch? Und gleich darauf f�hlt er ein Gesicht, ein Kindergesicht mit blondem, glattem Haar. Nicht da� er es schildern k�nnte, aber er hat die Empfindung von etwas Stillem, Hilflosem, Ergebenem, von ein paar schmalen Kinderschultern, durch ein verwaschenes Kleidchen noch mehr zusammengepre�t, und er dichtet dazu ein Gesicht -- aber da wei� er auch schon, er mu� es nicht dichten. Es ist da -- oder vielmehr es war da -- damals. So erinnert sich Doktor La�mann an seine einzige Gespielin Klara, nicht ohne M�he. Bis zur Zeit, da er in eine Erziehungsanstalt kam, etwa zehn Jahre alt, hat er alles mit ihr geteilt, was ihm begegnete, das Wenige (oder das Viele?). Klara hatte keine Geschwister, und er hatte so gut wie keine; denn seine �lteren Schwestern k�mmerten sich nicht um ihn. Aber seither hat er niemanden je nach ihr gefragt. Wie war das doch m�glich? Er lehnte sich zur�ck. Sie war ein frommes Kind, erinnerte er sich noch, und dann fragte er sich: Was mag aus ihr geworden sein? Eine Zeitlang �ngstigte ihn der Gedanke, sie k�nnte gestorben sein. Eine unerme�liche Bangigkeit �berfiel ihn in dem engen gedr�ngten Coup�; alles schien diese Annahme zu best�tigen: sie war ein kr�nkliches Kind, sie hatte es zu Hause nicht besonders gut, sie weinte oft; unzweifelhaft: sie ist tot. Der Doktor ertrug es nicht l�nger; er st�rte einzelne Schlafende und schob sich zwischen ihnen durch in den Gang des Waggons. Dort �ffnete er ein Fenster und schaute hinaus in das Schwarz mit den tanzenden Funken. Das beruhigte ihn. Und als er sp�ter in das Coup� zur�ckkehrte, schlief er trotz der unbequemen Lage bald ein. Das Wiedersehen mit den beiden verheirateten Schwestern verlief nicht ohne Verlegenheiten. Die drei Menschen hatten vergessen, wie weit sie einander, trotz ihrer engen Verwandtschaft, doch immer geblieben waren, und versuchten eine Weile, sich wie Geschwister zu benehmen. Indessen kamen sie bald stillschweigend �berein, zu dem h�flichen Mittelton ihre Zuflucht zu nehmen, den der gesellschaftliche Verkehr f�r alle F�lle geschaffen hat. Er war bei der j�ngeren Schwester, deren Mann in besonders g�nstigen Verh�ltnissen war, Fabrikant mit dem Titel kaiserlicher Rat; und es war nach dem vierten Gange des Diners, als der Doktor fragte: 'Sag mal, Sophie, was ist denn aus Klara geworden?' 'Welcher Klara?' 'Ich kann mich ihres Familiennamens nicht erinnern. Der kleinen, wei�t du, der Nachbarstochter, mit der ich als Kind gespielt habe?' 'Ach, Klara S�llner meinst du?' 'S�llner, richtig, S�llner. Jetzt f�llt mir erst ein: der alte S�llner, das war ja dieser gr��liche Alte --�-- aber was ist mit Klara?' Die Schwester z�gerte: 'Sie hat geheiratet -- �brigens lebt sie jetzt ganz zur�ckgezogen.' 'Ja,' machte der Herr Rat, und sein Messer glitt kreischend �ber den Teller, 'ganz zur�ckgezogen.' 'Du kennst sie auch?' wandte sich der Doktor an seinen Schwager. 'Ja-a-a -- so fl�chtig; sie ist ja hier ziemlich bekannt.' Die beiden Gatten wechselten einen Blick des Einverst�ndnisses. Der Doktor merkte, da� es ihnen aus irgendeinem Grunde unangenehm war, �ber diese Angelegenheit zu reden, und fragte nicht weiter. Um so mehr Lust zu diesem Thema bewies der Herr Rat, als die Hausfrau die Herren beim schwarzen Kaffee zur�ckgelassen hatte. 'Diese Klara,' fragte er mit listigem L�cheln und betrachtete die Asche, die von seiner Zigarre in den silbernen Becher fiel, 'sie soll doch ein stilles und �berdies h��liches Kind gewesen sein?' Der Doktor schwieg. Der Herr Rat r�ckte vertraulich n�her: 'Das war eine Geschichte! -- Hast du nie davon geh�rt?' 'Aber ich habe ja mit niemandem gesprochen.' 'Was, gesprochen,' l�chelte der Rat fein, 'man hat es ja in den Zeitungen lesen k�nnen.' 'Was?' fragte der Doktor nerv�s. 'Also, sie ist ihm durchgegangen' -- hinter einer Wolke Rauches her schickte der Fabrikant diesen �berraschenden Satz und wartete in unendlichem Behagen die Wirkung desselben ab. Aber diese schien ihm nicht zu gefallen. Er nahm eine gesch�ftliche Miene an, setzte sich gerade und begann in anderem berichtenden Ton, gleichsam gekr�nkt. 'Hm. Man hatte sie verheiratet an den Baurat Lehr. Du wirst ihn nicht mehr gekannt haben. Kein alter Mann, in meinem Alter. Reich, durchaus anst�ndig, wei�t du, durchaus anst�ndig. Sie hatte keinen Groschen und war obendrein nicht sch�n, ohne Erziehung usw. Aber der Baurat w�nschte ja auch keine gro�e Dame, eine bescheidene Hausfrau. Aber die Klara -- sie wurde �berall in der Gesellschaft aufgenommen, man brachte ihr allgemein Wohlwollen entgegen, -- wirklich -- man benahm sich -- also sie h�tte sich eine Position schaffen k�nnen mit Leichtigkeit, wei�t du -- aber die Klara, eines Tages -- kaum zwei Jahre nach der Hochzeit: fort ist sie. Kannst du dir denken: fort. Wohin? Nach Italien. Eine kleine Vergn�gungsreise, nat�rlich nicht allein. Wir haben sie schon im ganzen letzten Jahr nicht eingeladen gehabt, -- als ob wir geahnt h�tten! Der Baurat, mein guter Freund, ein Ehrenmann, ein Mann�--' 'Und Klara?' unterbrach ihn der Doktor und erhob sich. 'Ach so -- ja, na die Strafe des Himmels hat sie erreicht. Also der Betreffende -- man sagt ein K�nstler, wei�t du -- ein leichter Vogel, nat�rlich nur so -- Also wie sie aus Italien zur�ck waren, in M�nchen: adieu und ward nicht mehr gesehen. Jetzt sitzt sie mit ihrem Kind!' Doktor La�mann ging erregt auf und nieder: 'In M�nchen?' 'Ja, in M�nchen,' antwortete der Rat und erhob sich gleichfalls. 'Es soll ihr �brigens recht elend gehen�--' 'Was hei�t elend�--?' 'Nun,' der Rat betrachtete seine Zigarre, 'pekuni�r und dann �berhaupt -- Gott -- so eine Existenz --�--�--' Pl�tzlich legte er seine gepflegte Hand dem Schwager auf die Schulter, seine Stimme gluckste vor Vergn�gen: 'Wei�t du, �brigens erz�hlte man sich, sie lebe von�--' Der Doktor drehte sich kurz um und ging aus der T�r. Der Herr Rat, dem die Hand von der Schulter des Schwagers gefallen war, brauchte zehn Minuten, um sich von seinem Staunen zu erholen. Dann ging er zu seiner Frau hinein und sagte �rgerlich: 'Ich hab es immer gesagt, dein Bruder ist ein Sonderling.' Und diese, die eben eingenickt war, g�hnte tr�ge: 'Ach Gott ja.' Vierzehn Tage sp�ter reiste der Doktor ab. Er wu�te mit einemmal, da� er seine Kindheit anderswo suchen m�sse. In M�nchen fand er im Adre�buch: Klara S�llner, Schwabing, Stra�e und Nummer. Er meldete sich an und fuhr hinaus. Eine schlanke Frau begr��te ihn in einer Stube voll Licht und G�te. 'Georg, und Sie erinnern sich meiner?' Der Doktor staunte. Endlich sagte er: 'Also das sind Sie, Klara,' sie hielt ihr stilles Gesicht mit der reinen Stirn ganz ruhig, als wollte sie ihm Zeit geben, sie zu erkennen. Das dauerte lange. Schlie�lich schien der Doktor etwas gefunden zu haben, was ihm bewies, da� seine alte Spielgef�hrtin wirklich vor ihm st�nde. Er suchte noch einmal ihre Hand und dr�ckte sie; dann lie� er sie langsam los und schaute in der Stube umher. Diese schien nichts �berfl�ssiges zu enthalten. Am Fenster ein Schreibtisch mit Schriften und B�chern, an welchem Klara eben mu�te gesessen haben. Der Stuhl war noch zur�ckgeschoben. 'Sie haben geschrieben?' ... und der Doktor f�hlte, wie dumm diese Frage war. Aber Klara antwortete unbefangen: 'Ja, ich �bersetze.' 'F�r den Druck?' 'Ja,' sagte Klara einfach, 'f�r einen Verlag.' Georg bemerkte an den W�nden einige italienische Photographien. Darunter das �Konzert� des Giorgione. 'Sie lieben das?' Er trat nahe an das Bild heran. 'Und Sie?' 'Ich habe das Original nie gesehen; es ist in Florenz, nicht wahr?' 'Im Pitti. Sie m�ssen hinreisen.' 'Zu diesem Zweck?' 'Zu diesem Zweck.' Eine freie und einfache Heiterkeit war �ber ihr. Der Doktor sah nachdenklich auf. 'Was haben Sie, Georg. Wollen Sie sich nicht setzen?' 'Ich bin traurig,' z�gerte er. 'Ich habe gedacht -- aber Sie sind ja gar nicht elend�--' fuhr es pl�tzlich heraus. Klara l�chelte: 'Sie haben meine Geschichte geh�rt?' 'Ja, das hei�t�--' 'O,' unterbrach ihn Klara schnell, als sie merkte, da� seine Stirn sich verdunkelte, 'es ist nicht die Schuld der Menschen, da� sie anders davon reden. Die Dinge, die wir erleben, lassen sich oft nicht ausdr�cken, und wer sie dennoch erz�hlt, mu� notwendig Fehler begehen�--.' Pause. Und der Doktor: 'Was hat Sie so g�tig gemacht?' 'Alles,' sagte sie leise und warm. 'Aber warum sagen Sie: g�tig?' 'Weil -- weil Sie eigentlich h�tten hart werden m�ssen. Sie waren ein so schwaches, hilfloses Kind; solche Kinder werden sp�ter entweder hart oder�--' 'Oder sie sterben -- wollen Sie sagen. Nun, ich bin auch gestorben. O, ich bin viele Jahre gestorben. Seit ich Sie zum letztenmal gesehen habe, zu Haus, bis�--' Sie langte etwas vom Tische her: 'Sehen Sie, das ist sein Bild. Es ist etwas geschmeichelt. Sein Gesicht ist nicht so klar, aber -- lieber, einfacher. Ich werde Ihnen dann gleich unser Kind zeigen, es schl�ft jetzt nebenan. Es ist ein Bub. Hei�t Angelo, wie er. Er ist jetzt fort, auf Reisen, weit.' 'Und Sie sind ganz allein?' fragte der Doktor zerstreut, immer noch �ber dem Bilde. 'Ja, ich und das Kind. Ist das nicht genug? Ich will Ihnen erz�hlen, wie das kommt. Angelo ist Maler. Sein Name ist wenig bekannt, Sie werden ihn nie geh�rt haben. Bis in die letzte Zeit hat er gerungen mit der Welt, mit seinen Pl�nen, mit sich und mit mir. Ja, auch mit mir; denn ich bat ihn seit einem Jahr: du mu�t reisen. Ich f�hlte, wie sehr ihm das not tat. Einmal sagte er scherzend: 'Mich oder ein Kind?' 'Ein Kind,' sagte ich, und dann reiste er.' 'Und wann wird er zur�ckkehren?' 'Bis das Kind seinen Namen sagen kann, so ist es abgemacht.' Der Doktor wollte etwas bemerken. Aber Klara lachte: 'Und da es ein schwerer Name ist, wird es noch eine Weile dauern. Angelino wird im Sommer erst zwei Jahre.' 'Seltsam,' sagte der Doktor. 'Was, Georg?' 'Wie gut Sie das Leben verstehen. Wie gro� Sie geworden sind, wie jung. Wo haben Sie Ihre Kindheit hingetan? -- wir waren doch beide so -- so hilflose Kinder. Das l��t sich doch nicht �ndern oder ungeschehen machen.' 'Sie meinen also, wir h�tten an unserer Kindheit leiden m�ssen, von Rechts wegen?' 'Ja, gerade das meine ich. An diesem schweren Dunkel hinter uns, zu dem wir so schwache, so ungewisse Beziehungen behalten. Da ist eine Zeit: wir haben unsere Erstlinge hineingelegt, allen Anfang, alles Vertrauen, die Keime zu alledem, was vielleicht einmal werden sollte. Und pl�tzlich wissen wir: Alles das ist versunken in einem Meer, und wir wissen nicht einmal genau wann. Wir haben es gar nicht bemerkt. Als ob jemand sein ganzes Geld zusammensuchte, sich daf�r eine Feder kaufte und sie auf den Hut steckte, hui: der n�chste Wind wird sie mitnehmen. Nat�rlich kommt er zu Hause ohne Feder an, und ihm bleibt nichts �brig, als nachzudenken, wann sie wohl k�nnte davongeflogen sein.' 'Sie denken daran, Georg?' 'Schon nicht mehr. Ich habe es aufgegeben. Ich beginne irgendwo hinter meinem zehnten Jahr, dort, wo ich aufgeh�rt habe zu beten. Das andere geh�rt nicht mir.' 'Und wie kommt es dann, da� Sie sich an mich erinnert haben?' 'Darum komme ich ja zu Ihnen. Sie sind der einzige Zeuge jener Zeit. Ich glaubte, ich k�nnte in Ihnen wiederfinden, -- was ich in mir nicht finden kann. Irgendeine Bewegung, ein Wort, einen Namen, an dem etwas h�ngt -- eine Aufkl�rung�--' Der Doktor senkte den Kopf in seine kalten, unruhigen H�nde. Frau Klara dachte nach: 'Ich erinnere mich an so weniges aus meiner Kindheit, als w�ren tausend Leben dazwischen. Aber jetzt, wie Sie mich so daran mahnen, f�llt mir etwas ein. Ein Abend. Sie kamen zu uns, unerwartet; Ihre Eltern waren ausgegangen, ins Theater oder so. Bei uns war alles hell. Mein Vater erwartete einen Gast, einen Verwandten, einen entfernten reichen Verwandten, wenn ich mich recht entsinne. Er sollte kommen aus, aus -- ich wei� nicht woher, jedenfalls von weit. Bei uns wartete man schon seit zwei Stunden auf ihn. Die T�ren waren offen, die Lampen brannten, die Mutter ging von Zeit zu Zeit und gl�ttete eine Schutzdecke auf dem Sofa, der Vater stand am Fenster. Niemand wagte sich zu setzen, um keinen Stuhl zu verr�cken. Da Sie gerade kamen, warteten Sie mit uns. Wir Kinder horchten an der T�r. Und je sp�ter es wurde, einen desto wunderbarern Gast erwarteten wir. Ja, wir zitterten sogar, er k�nnte kommen, ehe er jenen letzten Grad von Herrlichkeit erreicht haben w�rde, dem er mit jeder Minute seines Ausbleibens n�her kam. Wir f�rchteten nicht, er k�nnte �berhaupt nicht erscheinen; wir wu�ten bestimmt: er kommt, aber wir wollten ihm Zeit lassen, gro� und m�chtig zu werden.' Pl�tzlich hob der Doktor den Kopf und sagte traurig: 'Das also wissen wir beide, da� er nicht kam�--. Ich habe es auch nicht vergessen gehabt.' 'Nein,' -- best�tigte Klara, 'er kam nicht�--.' Und nach einer Pause: 'Aber es war doch sch�n!' 'Was?' 'Nun so -- das Warten, die vielen Lampen, -- die Stille -- das Feiert�gliche.' Etwas r�hrte sich im Nebenzimmer. Frau Klara entschuldigte sich f�r einen Augenblick; und als sie hell und heiter zur�ckkam, sagte sie: 'Wir k�nnen dann hineingehen. Er ist jetzt wach und l�chelt. -- Aber was wollten Sie eben sagen?' 'Ich habe mir eben �berlegt, was Ihnen k�nnte geholfen haben zu -- zu sich selbst, zu diesem ruhigen Sichbesitzen. Das Leben hat es Ihnen doch nicht leicht gemacht. Offenbar half Ihnen etwas, was mir fehlt?' 'Was sollte das sein, Georg?' Klara setzte sich neben ihn. 'Es ist seltsam; als ich mich zum erstenmal wieder Ihrer erinnerte, vor drei Wochen nachts, auf der Reise, da fiel mir ein: sie war ein frommes Kind. Und jetzt, seit ich Sie gesehen habe, trotzdem Sie so ganz anders sind, als ich erwartete -- trotzdem, ich m�chte fast sagen, nur noch desto sicherer, empfinde ich, was Sie gef�hrt hat, mitten durch alle Gefahren, war Ihre -- Ihre Fr�mmigkeit.' 'Was nennen Sie Fr�mmigkeit?' 'Nun, Ihr Verh�ltnis zu Gott, Ihre Liebe zu ihm, Ihr Glauben.' Frau Klara schlo� die Augen: 'Liebe zu Gott? Lassen Sie mich nachdenken.' Der Doktor betrachtete sie gespannt. Sie schien ihre Gedanken langsam auszusprechen, so wie sie ihr kamen: 'Als Kind -- hab ich da Gott geliebt? Ich glaube nicht. Ja, ich habe nicht einmal -- es h�tte mir wie eine wahnsinnige �berhebung -- das ist nicht das richtige Wort -- wie die gr��te S�nde geschienen, zu denken: Er ist. Als ob ich ihn damit gezwungen h�tte, in mir, in diesem schwachen Kind, mit den l�cherlich langen Armen, zu sein, in unserer armen Wohnung, in der alles unecht und l�gnerisch war, von den Bronze-Wandtellern aus Papiermach� bis zum Wein in den Flaschen, die so teure Etiketten trugen. Und sp�ter�--' Frau Klara machte eine abwehrende Bewegung mit den H�nden, und ihre Augen schlossen sich fester, als f�rchteten sie, durch die Lider etwas Furchtbares zu sehen -- 'ich h�tte ihn ja hinausdr�ngen m�ssen aus mir, wenn er in mir gewohnt h�tte damals. Aber ich wu�te nichts von ihm. Ich hatte ihn ganz vergessen. Ich hatte alles vergessen. -- Erst in Florenz: Als ich zum erstenmal in meinem Leben sah, h�rte, f�hlte, erkannte und zugleich danken lernte f�r alles das, da dachte ich wieder an ihn. �berall waren Spuren von ihm. In allen Bildern fand ich Reste von seinem L�cheln, die Glocken lebten noch von seiner Stimme, und an den Statuen erkannte ich Abdr�cke seiner H�nde.' 'Und da fanden Sie ihn?' Klara schaute den Doktor mit gro�en, gl�cklichen Augen an: 'Ich f�hlte, da� er war, irgendwann einmal war ... warum h�tte ich mehr empfinden sollen? Das war ja schon �berflu�.' Der Doktor stand auf und ging ans Fenster. Man sah ein St�ck Feld und die kleine, alte Schwabinger Kirche, dar�ber Himmel, nicht mehr ganz ohne Abend. Pl�tzlich fragte Doktor La�mann, ohne sich umzuwenden: 'Und jetzt?' Als keine Antwort kam, kehrte er leise zur�ck. 'Jetzt�--,' z�gerte Klara, als er gerade vor ihr stand, und hob die Augen voll zu ihm auf: 'jetzt denke ich manchmal: Er wird sein.' Der Doktor nahm ihre Hand und behielt sie einen Augenblick. Er schaute so ins Unbestimmte. 'Woran denken Sie, Georg?' 'Ich denke, da� das wieder wie an jenem Abend ist: Sie warten wieder auf den Wunderbaren, auf Gott, und wissen, da� er kommen wird -- Und ich komme zuf�llig dazu�--.' Frau Klara erhob sich leicht und heiter. Sie sah sehr jung aus. 'Nun, diesmal wollen wirs aber auch abwarten.' Sie sagte das so froh und einfach, da� der Doktor l�cheln mu�te. So f�hrte sie ihn in das andere Zimmer, zu ihrem Kind.�-- In dieser Geschichte ist nichts, was Kinder nicht wissen d�rfen. Indessen, die Kinder haben sie nicht erfahren. Ich habe sie nur dem Dunkel erz�hlt, sonst niemandem. Und die Kinder haben Angst vor dem Dunkel, laufen ihm davon, und m�ssen sie einmal drinnen bleiben, so pressen sie die Augen zusammen und halten sich die Ohren zu. Aber auch f�r sie wird einmal die Zeit kommen, da sie das Dunkel liebhaben. Sie werden von ihm meine Geschichte empfangen, und dann werden sie sie auch besser verstehen. INHALT ALS EINLEITUNG Das M�rchen von den H�nden Gottes 1 GESCHICHTEN VOM LIEBEN GOTT Der fremde Mann 19 Warum der liebe Gott will, da� es arme Leute gibt 29 Wie der Verrat nach Ru�land kam 41 Wie der alte Timofei singend starb 55 Das Lied von der Gerechtigkeit 69 Eine Szene aus dem Ghetto von Venedig 89 Von einem, der die Steine belauscht 103 Wie der Fingerhut dazu kam, der liebe Gott zu sein 111 Ein M�rchen vom Tod und eine fremde Nachschrift dazu 123 Ein Verein aus einem dringenden Bed�rfnis heraus 139 Der Bettler und das stolze Fr�ulein 159 Eine Geschichte, dem Dunkel erz�hlt 171 Druck von Bernhard Tauchnitz in Leipzig IM INSEL-VERLAG � LEIPZIG DICHTUNGEN VON RAINER MARIA RILKE DAS STUNDENBUCH. (Vom m�nchischen Leben; Von der Pilgerschaft; Von der Armut und vom Tode.) 30.-39. Tausend. ERSTE GEDICHTE. 10.-13. Tausend. DIE FR�HEN GEDICHTE. 11.-14. Tausend. NEUE GEDICHTE (1905 bis 1907). 10.-14. Tausend. DER NEUEN GEDICHTE ANDERER TEIL. 9. bis 13. Tausend. DAS BUCH DER BILDER. 16.-19. Tausend. REQUIEM. (F�r eine Freundin. F�r Wolf Graf von Kalckreuth.) F�nfte Auflage. DAS MARIENLEBEN. 31.-40. Tausend. (Insel-B�cherei Nr.�43.) DIE WEISE VON LIEBE UND TOD DES CORNETS CHRISTOPH RILKE. 201.-230. Tausend. (Insel-B�cherei Nr.�1.) DIE AUFZEICHNUNGEN DES MALTE LAURIDS BRIGGE. Roman. Zwei B�nde. 13.-17. Tausend. AUGUSTE RODIN. Mit 96 Vollbildern nach Skulpturen und Handzeichnungen Rodins. 31.-35. Tausend. * * * * * Von Rilke wurden �bertragen: ELIZABETH BARRETT-BROWNING: SONETTE AUS DEM PORTUGIESISCHEN. (Insel-B�cherei Nr.�252.) DIE LIEBE DER MAGDALENA. Ein franz�sischer Sermon, gezogen durch den Abb� Joseph Bonnet aus dem Manuskript Q�I�14 der Kaiserlichen Bibliothek zu St. Petersburg. Dritte Auflage. DIE VIERUNDZWANZIG SONETTE DER LOU�ZE LAB�. Lyoneserin 1555. (Insel-B�cherei Nr.�222.) 11.-20. Tausend. PORTUGIESISCHE BRIEFE. (Die Briefe der Marianne Alcoforado.) 21.-25. Tausend. (Insel-B�cherei Nr.�74.) ANDR� GIDE. Die R�ckkehr des verlorenen Sohnes. 16.-20. Tausend. (Insel-B�cherei Nr.�143.) [ Im folgenden werden alle ge�nderten Textzeilen angef�hrt, wobei jeweils zuerst die Zeile wie im Original, danach die ge�nderte Zeile steht. Rechte auf die Linke los: Du hast ihn losgelassen!' 'Bitte,' sagte die Rechte auf die Linke los: 'Du hast ihn losgelassen!' 'Bitte,' sagte die Jegoruschka, mein T�ubchen, ich habe dich schon viele Lieder singen 'Jegoruschka, mein T�ubchen, ich habe dich schon viele Lieder singen wof�r der Name mir fehlt Und alle diese Dinge lagen in den seichten wof�r der Name mir fehlt. Und alle diese Dinge lagen in den seichten Pl�tzlich hob der Doktor den Kopf und sagte traurig: Das also wissen Pl�tzlich hob der Doktor den Kopf und sagte traurig: 'Das also wissen ] End of Project Gutenberg's Geschichten vom lieben Gott, by Rainer Maria Rilke *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GESCHICHTEN VOM LIEBEN GOTT *** ***** This file should be named 38402-8.txt or 38402-8.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: https://www.gutenberg.org/3/8/4/0/38402/ Produced by Alexander Bauer, Jana Srna and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at https://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at https://pglaf.org For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. 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